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Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch

Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch

Titel: Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch
Autoren: Eva Almstädt
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unangenehmer sein könnte als die Vorstellung, er würde ihr aus purem Pflichtgefühl kurz vor der Geburt ihres Kindes einen Heiratsantrag machen. Sie hatte doch allen Ernstes befürchtet, er würde eine Schachtel mit einem Ring aus der Tasche zaubern, wie in einem alten Hollywood-Streifen.
    »Ich kann sofort anfangen. Aber nicht in Lübeck, sondern in Budapest.«
    »Budapest?« Vor Pias innerem Auge rollte sich eine Karte ab auf der Suche nach Budapest … nicht in Schleswig-Holstein, nicht in Deutschland – in Ungarn! Er hätte auch Timbuktu sagen können.
    »Das Semester hat schon angefangen. Deshalb muss ich mir jetzt auch so schnell wie möglich in Budapest eine Wohnung suchen und umziehen.«
    »Wann musst du weg?« Ihre Stimme klang fremd. »Und überhaupt. Sprichst du neuerdings Ungarisch?«
    »Die Vorlesungen sind auf Englisch. Das werde ich schon schaffen. Es geht einfach nicht anders. Das verstehst du doch, oder?«
    »Na klar.« Sie wollte nicht zynisch klingen. Sie war nur … überrascht. Auch von seinem Eifer und dem plötzlichen Glanz in seinen Augen. Er hatte offensichtlich gerade den unangenehmen Teil des Abends hinter sich gebracht. Nun war es an ihr, die Neuigkeit zu verdauen. Ganz ruhig. Es war gar nichts passiert. Sie griff nach ihrem Glas, um Zeit zu gewinnen. Es war leer.
    »Soll ich dir noch was bestellen?«
    »Nein, danke.« Dann, nach kurzem Nachdenken: »Läuft das jetzt über das Immatrikulationsamt: ›Herr Joost, in Deutschland haben wir leider momentan nichts für Sie, aber wie wäre es mit einem Medizin-Studienplatz in Ungarn?‹« Reiß dich zusammen, dachte Pia, kein Sarkasmus, sonst tut es dir später leid.
    »Nein. Ein Freund hat mich auf die Idee gebracht. Ich musste mich schon selbst um alles kümmern. Billig wird das auch nicht. Aber was soll ich machen? Ich werde auch nicht jünger.«
    Das war es also mit der gemeinsamen Verantwortung für das Kind. Ihr fiel nichts ein, was sie dazu sagen konnte.
    »Ich muss doch auch an meine Zukunft denken«, meinte er trotzig.
    »Klar. Ich verstehe das.« Pia winkte dem Kellner, um zu zahlen.
    »Die Rechnung übernehm ich. Du bist eingeladen«, sagte er. War er erleichtert, so unkompliziert und schnell davongekommen zu sein?
    »Warum das denn? Es ist alles in Ordnung.« Sie warf ein paar Geldscheine auf den Tisch und erhob sich.
    Hinnerk winkte hektisch nach dem Kellner, um zu zahlen. »Pia, nun warte doch!«, rief er ihr halblaut hinterher.
    Mitten auf dem weitläufigen Platz vor dem Restaurant blieb sie stehen. Vom Koberg hatte man einen schönen Blick auf das Heiligen-Geist-Hospital und die Jakobikirche. Tief durchatmen. Es war nichts passiert, was sie nicht sowieso schon geahnt hatte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Hinnerk, der ihr gefolgt war.
    »Ja. Ich hatte nur nicht damit gerechnet.«
    »Ich weiß.« Er wagte nicht, ihr in die Augen zu sehen.
    »Ich wünsche dir alles Gute in Ungarn, Hinnerk. Viel Erfolg!« Sie wandte sich zum Gehen.
    »Pia!« Ein Anflug von Panik. »Soll ich dich nicht nach Hause fahren?«
    »Nein, ich gehe lieber.« Ein Spaziergang durch die Stadt würde ihr guttun, dachte sie.

4. Kapitel
    P ia schlief ein, als sich der Himmel, den sie durch das Dachflächenfenster über ihrem Bett sehen konnte, ins Lila-Grau der ersten Morgendämmerung verfärbte. Dementsprechend müde traf sie ein paar Stunden später im Polizeihochhaus ein. Sie fühlte sich wie unter einer Glasglocke gefangen. Ein Zustand, den sie unter normalen Umständen mit ein paar Bechern Kaffee bekämpft hätte. Nach der Frühbesprechung verabredete sie mit Broders, in einer halben Stunde noch mal nach Düsterbruch zu fahren. Bei der Aussicht darauf rauszukommen, hob sich ihre Laune. Sie wählte Schellings interne Nummer beim K6.
    »Hast du noch was Neues im Fall Seesen für mich?«, fragte sie.
    »Nichts, was deinen Pulsschlag nennenswert erhöhen würde. Das Zimmer von Hedwig Seesen war natürlich mit Spuren der Hausbewohner übersät. Die unbekannten Fingerspuren sind wahrscheinlich von dem Arzt, der sie zuerst untersucht hat. Das klären wir noch ab. Ansonsten war da nichts, was nicht da sein dürfte.«
    »Und die Tatwaffe?«
    »Darauf befinden sich nur die Fingerabdrücke des Opfers. Kein Hinweis auf Fremdeinwirkung. Morgen habt ihr unseren Bericht.«
    »Was ist mit Hedwig Seesens Kleidung? Habt ihr Blutflecken darauf gefunden?«
    »Ja, da war was. Die Klamotten lagen im Wäschekorb in ihrem Zimmer. Ich habe sie mit ins Labor gegeben, aber das
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