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Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch

Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch

Titel: Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch
Autoren: Eva Almstädt
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aufbrechen musste. In der engen, nachträglich in die Küche der Altbauwohnung eingebauten Kabine war das Duschen ein mühsames Unterfangen. Und auch das Umziehen machte keinen Spaß mehr, da sie nur die eine Schwangerschaftshose gegen die zweite austauschen konnte. Ihr weitestes T-Shirt spannte über ihrem Bauch, und die Jacke, die sie darüberzog, ließ sich nicht mehr schließen. Es war ja nicht mehr lange hin. Nach der letzten Untersuchung hatte ihre Ärztin ihr mitgeteilt, dass der Kopf ihres Kindes jetzt fest im Becken sitze. Ein Freifahrtschein für Unternehmungen jeglicher Art, von denen ein romantisches Abendessen mit Hinnerk noch das harmloseste war. Romantisch? Im äußersten Fall würde der Spaziergang dorthin romantisch werden.
    Das Restaurant auf dem Koberg lag zu Fuß gerade mal eine Viertelstunde von ihrer Wohnung entfernt. Pia bog vom Rohwedders Gang in Richtung Obertrave, um am Wasser entlangzugehen. Sie sah zu den alten Salzspeichern am anderen Ufer hinüber und beobachtete, wie sich eine dunkelgraue Wolkenbank darüberschob. Noch leuchteten die Fassaden der Häuser an der Obertrave im Abendlicht, aber gleich würde es wieder regnen. Vielleicht sollte sie doch den kürzeren Weg, die große Petersgrube hoch durch die Altstadt, nehmen? Aber sie wollte ihre Ankunft im Shanghai noch etwas hinauszögern.
    Warum eigentlich? Woher kam dieses Unbehagen? Hinnerk und sie waren nicht mehr zusammen. Sie hatten sich vorgenommen, befreundet zu bleiben, und er wollte sie in der neuen Situation mit Kind nach Kräften unterstützen. Er war mutmaßlich der Vater, aber ganz sicher war das nicht. Pia hätte nie geglaubt, dass ausgerechnet sie sich in so eine Zwangslage manövrieren könnte. Sie war damals, neun Monate war es her, noch mit Hinnerk zusammen gewesen. In der Beziehung hatte es gekriselt, woran sie selbst bestimmt nicht ganz unschuldig gewesen war. Aber ihn mit ihrer Schwester Nele zusammen vor einem Einkaufszentrum zu sehen, in trauter Zweisamkeit … das war ein regelrechter Schock gewesen. Kurz darauf war sie in Italien auf einer Dienstreise einem ehemaligen Freund und Kollegen, Marten Unruh, wieder begegnet. Sie hatte eine einzige, verhängnisvolle Nacht mit ihm verbracht. Und dann feststellen müssen, dass sie ungeplant schwanger geworden war. Doch wer war der Vater ihres ungeborenen Kindes?
    Erst hatten Hinnerk und sie gehofft, dass die gemeinsame Verantwortung sie wieder zusammenbringen würde, aber die Verletzungen gingen zu tief. Der Kompromiss war eine Freundschaft, die für Pia von einem diffusen Unbehagen begleitet war.
    Sie überquerte die Holstenstraße und ging an der Stadt-Trave weiter bis zur Drehbrücke. Dort bog sie nach rechts in die Engelsgrube, die zum Koberg hin anstieg. Viele Straßen und Orte in Lübeck erinnerten sie mittlerweile an Fälle, an denen sie mal mitgearbeitet hatte. Wie eine Landkarte des Verbrechens, nur in ihrem Kopf.
    Oben, unter einem der Schwibbogen zwischen der Schiffergesellschaft und dem Gebäude, das das Restaurant Shanghai beherbergte, stand Hinnerk. Er wartete mit in den Jackentaschen versenkten Händen auf sie. Pia konnte immer noch nachfühlen, was sie damals zu ihm hinzogen hatte, und sie wappnete sich dagegen, alte Gefühle für ihn in sich aufsteigen zu lassen. Vorbei war vorbei.
    »Na, wie geht es euch beiden?«
    »Mir geht es gut.« Pia musterte ihn. Er sah gehetzt aus. »Und dir?«
    »Bestens. Lass uns reingehen! Ich habe den schönsten Tisch für uns reserviert.«
    Ihr Unbehagen verstärkte sich. Er kann zumindest nicht mit dir Schluss machen, weil längst Schluss ist, rief sie sich ins Gedächtnis. Himmel, er hatte doch wohl nichts wirklich Idiotisches vor?
    Sie bestellten ihr Essen. Pia nahm als Vorspeise eine Wan-Tan-Suppe à la Shanghai. Es war eine Art Ritual. Mittlerweile hatte sie das Gefühl, das Universum müsse aus den Fugen geraten, sollte sie einmal in einem asiatischen Restaurant als ersten Gang Frühlingsrollen auswählen. Heute würde sie diesbezüglich bestimmt kein Risiko eingehen.
    Hinnerk sah sie immer wieder lauernd an.
    »Meine Kollegen nennen mich übrigens jetzt ›Boje‹«, sagte sie, um das unbehagliche Schweigen zu brechen.
    »Willst du nicht langsam mal aufhören zu arbeiten? Mein Gott, Pia, wann ist der Stichtag? Am Dreizehnten? Das ist mal wieder typisch für dich, dass du so unvernünftig bist!« Er versuchte, den Vorwurf mit einem Lächeln zu mildern, doch es geriet ihm schief.
    »Meine Ärztin hat nichts dagegen, vor
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