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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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den Abfall zu entsorgen, der sich jeden Tag in den Mülleimern ansammelte. Die Leute liebten es, diese 16 000 Dollar teuren Kunstobjekte als ganz normale Abfalleimer zu betrachten, was haargenau der Art und Weise entsprach, in der man dem Wunsch des Künstlers zufolge mit den Eimern«kommunizieren»sollte. Meistens fand ich Münzen (die Leute haben diesen Drang, ihr Geld buchstäblich wegzuwerfen; ich kapiere das einfach nicht), benutzte Tempos und Bonbonpapier, doch ab und zu zeigten sich die Leute erfindungsreicher: Ich fand auch ein gebrauchtes Kondom und eine schmutzige Windel. Da ich davon ausging, dass sich die sexuellen und sonstigen Aktivitäten, die diese Gegenstände hervorgebracht hatten, nicht in der Galerie abgespielt hatten, mussten die Leute diese kleinen Präsente wohl mitgebracht haben, und ich fand solche Ausbrüche an Kreativität doch ein wenig besorgniserregend.
    Der Künstler, der die Mülleimer schuf, hatte keinen Namen. Er war Japaner und hatte interessante Theorien, was die Identität betraf - zu einem früheren Zeitpunkt seiner Laufbahn hatte er eine Weile lang jeden Monat seinen Namen geändert, da er spürte, dass die Identität fließend ist und ihr durch etwas so Starres wie einen Namen keine Grenzen gesetzt werden dürfen. Doch nachdem er seinen Namen eine Zeit lang jeden Monat geändert hatte, verloren die Leute offenbar den Faden, und dann verloren sie das Interesse daran, seinen Namen in Erfahrung zu bringen und sich zu merken. Also legte er den Namen gänzlich ab. Ich glaube, der Ärger meiner Mutter über Gillians Entschluss, ihren Namen anders auszusprechen, lag zum Teil auch an den Erfahrungen mit diesem Künstler. Anfangs hatte sie gedacht, ein Künstler ohne Namen, der mit Mülleimern und heiligen Texten arbeitete, müsse eine Menge Aufsehen erregen, doch die Tatsache, dass er keinen Namen hatte, machte es irgendwie schwierig, für ihn zu werben, und ihre Begeisterung verwandelte sich in Frust. Bisher war kein einziger Mülleimer verkauft worden, und meine Mutter führte das auf die fehlende Berichterstattung in den Medien oder die fehlende«Hipness», wie sie es gerne nannte, zurück. Sie flehte den Künstler ohne Namen an, sich als«Der Künstler ohne Namen»oder«No Name»oder ähnlich hip bezeichnen zu lassen, aber der weigerte sich und machte ihr klar, dass auch dies auf ihre Weise Namen waren.
    Ich sollte alles, was ich auflas, in einem eigenen Mülleimer im Lager sammeln, denn der Künstler behauptete, in seinem nächsten Projekt würde er aus diesem Abfall Kunst machen. (Aus naheliegenden Gründen wies meine Mutter mich an, die Windel und das gebrauchte Kondom wegzuwerfen.) Meine anderen Aufgaben in der Galerie bestanden darin, die Mailingliste auf dem neuesten Stand zu halten, was bedeutete, dass ich die Namen und Adressen, welche die Leute in das am Empfang ausliegende Gästebuch schrieben, in die Datei eintragen musste. Da an jenen glühend heißen Sommertagen nur wenige Leute in die Galerie kamen, und da viele, die kamen, nichts ins Buch schrieben, war es keine allzu beschwerliche Aufgabe, die Liste auf dem aktuellen Stand zu halten. Dann brachte ich John noch jeden Morgen einen Cappuccino, ein Blaubeer-Joghurt-Muffin, zwei Literflaschen Evian, die New York Times , die Post , und, je nachdem, welcher Tag gerade war, entweder den New Yorker , New York , Time Out oder den New York Observer . (John weigerte sich, Zeitungen und Zeitschriften zu abonnieren, da er der Meinung war, die Adressaufkleber darauf seien ästhetische Zumutungen.)
    Wenn John nicht mit jemandem zum Mittagessen ging - und er gab sich große Mühe, dies jeden Tag zu tun -, holte ich ihm einen Salatteller von Fabu, der schicken Food Boutique um die Ecke auf der Tenth Avenue. Fabu bot täglich etwa ein Dutzend verschiedene Salate an, aus denen man sich für 11,95 Dollar drei auswählen konnte, Eistee oder geeister Kaffee sowie ein Brocken nach althergebrachter Tradition gebackenes Brot inbegriffen. (Das Brot wurde nicht geschnitten, sondern«von Hand gebrochen»; offenbar verdarb das Schneiden Geschmack und Beschaffenheit des Brots.) Jeden Tag um elf Uhr gab Fabu der Weltöffentlichkeit sein Angebot per Fax bekannt, und die Frage, welche drei der zwölf Salate er nehmen sollte, nahm den größten Teil von Johns Vormittag in Anspruch. Gegen vier Uhr schließlich schickte er mich stets einen geeisten Cappuccino und ein Milky Way mit Zartbitterschokolade holen.
    Wenn jemand in der Galerie war (was selten
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