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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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als Herausgeberin von Kunstbüchern gearbeitet, und offenbar ist es unmöglich, jemals wieder einer geregelten Arbeit nachzugehen, wenn man einmal damit aufgehört hat.«Ach, ich könnte nie mehr dorthin zurück, es ist so trostlos, und das Letzte, was die Welt braucht, ist noch ein Bildband», hörte ich sie mehr als einmal sagen. Als ich sie fragte, ob sie denn glaube, die Welt brauche Mülleimer aus Aluminium, die mit aus der King-James-Bibel herausgerissenen Seiten beklebt sind, sagte sie, nein, so etwas brauche die Welt nicht, und genau das mache sie zu Kunst. Darauf sagte ich, wenn die Welt keine Bildbände brauche, müssten die ja ebenfalls Kunst sein - wo liege da der Unterschied? Meine Mutter sagte, der Unterschied liege darin, dass die Welt glaube , sie brauche Bildbände, dass die Welt Bildbände wertschätze , doch die Welt glaube eben nicht, dass sie beklebte Mülleimer brauche.
    Gillian und ich saßen also in der Küche, sie war in das Kreuzworträtsel vertieft, und ich aß mein Rühreisandwich, als wir hörten, wie die Eingangstür aufgesperrt wurde - oder, genau genommen, zugesperrt wurde, denn wir hatten sie leichtsinnigerweise unversperrt gelassen, und so wurde sie zuerst zu- und dann aufgesperrt -, was einen Augenblick dauerte, in dem meine Schwester und ich einander bloß ansahen und nichts sagten, denn wir wussten instinktiv, wer die Tür aufschloss. Mein Vater hat die Schlüssel für unsere Wohnung, und es wäre durchaus naheliegend gewesen - na ja, jedenfalls näherliegend -, dass er an der Tür war, schließlich sollte meine Mutter ja auf Hochzeitsreise in Las Vegas sein, doch aus irgendeinem Grund wussten Gillian und ich sofort, dass es unsere Mutter war. Wir hörten, wie sie den Rollenkoffer über die Türschwelle zerrte (meine Mutter reist nicht mit leichtem Gepäck, schon gar nicht in die Flitterwochen), dann hörten wir, wie der Koffer umfiel, dann hörten wir, wie sie die Bücher und Zeitschriften und den ganzen anderen Kram, der sich in ihrer Abwesenheit auf der Couch angesammelt hatte, auf den Boden warf, und dann hörten wir, wie sie sich auf die Couch fallen ließ und leise und nachdrücklich sagte:«Scheiße.»
    Einen Moment lang saßen wir in fassungslosem Schweigen da. Es war fast, als glaubten wir, dass, wenn wir uns nur still verhielten und nicht entdeckt würden, sie wieder umkehren würde - von der Couch aufstehen, den ganzen Kram zurücklegen, den Koffer aufrichten, sich damit wieder davonmachen, zurück nach Las Vegas fliegen und die Hochzeitsreise fortsetzen würde.
    Doch das geschah natürlich nicht. Einen Augenblick später hörten wir, wie sie wieder aufstand, näher kam.
    «Du lieber Himmel», sagte meine Mutter, als sie in die Küche trat und uns sah,«was macht ihr zwei denn hier?»
    «Was machst du denn hier?», fragte Gillian.
    Meine Mutter ging zur Spüle und blickte missbilligend auf die schmutzigen Teller und Gläser. Sie machte den Geschirrschrank auf, aber der war leer, denn Gillian und ich hatten es vorgezogen, die Gläser kurz unter den Wasserhahn zu halten und wieder zu verwenden, anstatt sie zu spülen, einzuräumen und dann wieder zu verwenden.«Allmächtiger», sagte meine Mutter,«ich will doch nur einen Schluck Wasser. Einen einfachen Schluck Wasser! Mehr will ich doch gar nicht. Und wie alles, was ich jemals wollte, wird mir wohl auch das verwehrt. »
    Gillian stand auf, fand ein noch halbwegs sauberes Glas in der Spüle, wusch es kurz aus und füllte es dann am Wasserhahn.«Hier», sagte sie und gab es unserer Mutter.
    «Gott segne dich», sagte meine Mutter. Meine Mutter ist nicht sehr religiös, und ihre Ausdrucksweise beunruhigte mich. Beziehungsweise beunruhigte mich noch mehr, denn ihre unerwartete Ankunft hatte dies ja schon erreicht.
    «Wie du meinst», sagte Gillian und setzte sich wieder.
    Meine Mutter stand an der Spüle und nahm merkwürdige, kleine Schlucke aus dem Glas, wie ein Vogel. Ich dachte daran, dass ich einmal gelernt hatte, dass Vögel nicht schlucken können und deshalb, um zu trinken, den Kopf nach hinten kippen müssen, und dass sie ertrinken, wenn ihr Schnabel bei einem heftigen Regenguss offen ist und ihr Kopf nach hinten geneigt, auch wenn es mir ein Rätsel ist, warum sie bei Regen den Schnabel offen lassen und den Kopf nach hinten legen sollten. Schließlich war meine Mutter damit fertig, das Wasser auf diese seltsame Weise zu trinken, und machte, so schien es mir, eine große Show daraus, das Glas kurz auszuspülen und
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