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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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ist es besser so, ich meine, wenn man es früher herausbekommt als später.»
    «Genau das haben wir ihr auch gesagt», meinte ich.
    «In Ordnung», sagte er.«Ich nehme heute Abend den Bus zurück. Du glaubst doch nicht, dass sie heute noch in der Galerie anruft, oder? Oder, Gott bewahre, etwa gleich dorthin geht?»
    «Das bezweifle ich. Es sieht so aus, als wäre sie voll und ganz mit ihrem Unglück beschäftigt.»
    «Du bist so herzlos, James. Das ist nicht normal. Ich mache mir Sorgen wegen dir.»
    «Du solltest dir Sorgen um dich selbst machen. Wenn sie herausfindet, dass du die Galerie zugemacht hast, könnte sie selbst ein wenig herzlos werden.»
    «Ich bin schon unterwegs», sagte John.«Ich packe bereits. »
     
    Unter den gegebenen Umständen war es wohl das Beste, aus dem Haus zu verschwinden, also nahm ich unseren Hund, einen schwarzen Pudel namens Miró, mit auf den Hundeplatz am Washington Square. Miró, der anscheinend glaubt, ein Mensch zu sein, mag den Hundeplatz zwar nicht sonderlich, aber er sitzt stets geduldig neben mir auf der Bank und beobachtet die schlichten Vergnügungen der anderen Hunde mit amüsierter Herablassung.
    Direkt vor unserem Haus steht ein Baum, der ganz mit Springkraut und Efeu zugewachsen ist, und an dem kleinen Eisengitter, das ihn umfasst, hängen zwei Schilder. Auf dem einen steht IN GEDENKEN AN HOWARD MORRIS SHULEVITZ, PRÄSIDENT DER WOHNANLAGE 1980-1993. ER LIEBTE DIESE ANLAGE. Als ich das Schild das erste Mal sah, vor etwa sechs Jahren, als meine Eltern sich scheiden ließen (meine Mutter verkaufte die Wohnung, in der wir auf der West 79th Street gewohnt hatten, und wir zogen nach Downtown; mein Vater zog in ein scheußliches Donald-Trump-Hochhaus an der Upper East Side. Er hat eine dieser fürchterlichen Wohnungen mit riesigen Bogenfenstern, die man nicht aufmachen kann, und Wasserhähnen aus falschem Gold und seltsamen, kostümierten Typen im Aufzug, die für den Fall da sind, dass man nicht weiß, wie man einen Knopf drückt), verstand ich es falsch, ich dachte, die Daten auf dem Schild wären Howard Morris Shulevitzs Geburts- und Todesjahr und er selbst wäre ein kleiner Junge gewesen, der eines tragischen frühen Todes gestorben war und dem die Bewohner der Anlage daraufhin posthum den Ehrentitel des Präsidenten verliehen hatten. Ich fühlte mich diesem Jungen sehr nahe, der ungefähr im gleichen Alter gestorben war, in dem ich damals war, und irgendwie spürte ich, dass ich sein Nachfolger werden musste. So gelobte ich, die Wohnanlage mit dergleichen Inbrunst zu lieben wie Howard, und ich stellte mir sogar vor, selbst jung zu sterben - ich dachte daran, mich aus dem Wohnzimmerfenster zu stürzen, so dass ich auf dem Bürgersteig vor dem Baum aufschlagen würde. Dann würde ich ein eigenes Schild bekommen, neben dem von Howard: JAMES DUNFOUR SVECK, ZWEITER PRÄSIDENT DER WOHNANLAGE, 1985-1997. AUCH ER LIEBTE DIESE ANLAGE. Dummerweise erzählte ich meiner Mutter von dieser kleinen Träumerei, und sie erklärte mir, dass Howard Morris Shulevitz wahrscheinlich ein alter Mann gewesen war, ein kleinkarierter Tyrann, der nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als seinen Nachbarn wegen Verstößen gegen die Hausordnung auf die Nerven zu fallen. Auf dem zweiten Schild am Gitter steht unübersehbar: HUNDE SIND AN DER LEINE ZU FÜHREN. Ich weiß nicht mehr genau, wann dieses Schild angebracht wurde, und man kann nur vermuten, weshalb es wohl notwendig war, doch ich finde es jedes Mal wieder bedrückend, diese beiden Schilder da nebeneinander hängen zu sehen, denn selbst wenn Howard Morris Shulevitz, wie meine Mutter glaubt, ein unangenehmer Mensch war, hat er es wirklich verdient, dass man seiner neben einem Schild gedenkt, auf dem HUNDE SIND AN DER LEINE ZU FÜHREN steht? Ich finde diese Angewohnheit, Dinge nach den Verstorbenen zu benennen, überhaupt sehr irritierend. Ich sitze nicht gern auf einer Bank, die als Gedenkstätte an das Leben eines Menschen erinnern soll. Das wirkt so respektlos. Wenn man eines Menschen gedenken will, finde ich, sollte man entweder gleich ein richtiges Denkmal wie das Lincoln Memorial bauen oder lieber ganz die Finger davon lassen.
    Der Hundeplatz ist dieser rundum eingezäunte Bereich im Park, und wenn man durch die beiden Tore, die man niemals gleichzeitig aufmachen darf, will man nicht zum Tode verurteilt werden, gegangen ist, kann man seinen Hund von der Leine lassen, und er kann mit seinesgleichen herumtollen. Als ich so um vier Uhr dort
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