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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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aber sie sagte es niemandem, und schließlich hatte sie einen schweren Anfall. Der Postbote fand sie, wie sie auf dem Schieferboden in der Eingangshalle lag. Offenbar war sie die Treppe heruntergefallen. Ich werde also nie wissen, ob sich jener Vorfall wirklich ereignet hat. Aber ich glaube, er muss sich ereignet haben, denn ich kann mich daran erinnern, und ich denke nicht, dass man sich an etwas erinnern kann, was nicht geschehen ist.
    Da meine Großmutter stets gegen Beerdigungen und Trauerfeiern und dergleichen gewesen war, gab es für mich keinen Anlass, nach Hause zu kommen. Ich hatte zwar vor, nach Hause zu kommen, aber meine Eltern sagten, das solle ich lassen, denn sie hätte gewollt, dass ich am College bleibe und alles so weitergeht wie bisher. Ich glaube, in Wirklichkeit dachten sie, dass ich, wenn ich von der Brown nach Hause käme, womöglich nie wieder dorthin zurückgehen würde, denn in jenem ersten Semester fühlte ich mich sehr elend.
    Ihr Haus steht zum Verkauf, und manchmal, wenn ich online bin, gehe ich auf realtor.com . Ich suche keine Häuser mehr im Mittleren Westen. Ich sehe mir das Haus meiner Großmutter an: 16 Wyncote Lane, Hartsdale: Entzückendes altes Tudorhaus im Originalzustand, renovierungsbedürftiges Liebhaberobjekt . Ich mache den virtuellen Rundgang. Es ist, als stünde man in der Mitte eines jeden Zimmers und drehte sich langsam um die eigene Achse, und man kann sich drehen und drehen, so oft man will, das Zimmer kreist unaufhörlich um einen herum. Die Böden und Wände sehen wie Negative von Fotografien aus: rechteckige Flecken unverblasster Tapete, wo einst Bilder hingen, die Holzdielen noch blank poliert und braun glänzend dort, wo Teppiche lagen. Die Zimmer sind alle leer, alles ist weg: Von ihr geblieben sind nur diese gespenstischen Spuren.
    Sie hat wirklich alles in ihrem Haus mir hinterlassen. Meine Eltern wollten, dass ich die ganzen Sachen an einen«Nachlassabwickler»verkaufe, an jemanden, der kommt und alles kauft und es dann auflöst. Genau so haben sie es genannt: auflösen . Aber ich weigerte mich. Mit einem Teil des Geldes, das meine Großmutter mir hinterlassen hat, bezahle ich für ein klimatisiertes Lagerhaus in Long Island City, wo alles verwahrt wird. Ich ließ alles einlagern, selbst die Ausgaben des National Geographic , die Keramikschale mit dem Heidelberger Schloss, die Musiktruhe und all ihre Schallplatten, einschließlich der Brunnen von Rom . Meine Eltern hielten mich für verrückt. Sei doch vernünftig, sagten sie: Warum willst du gutes Geld dafür bezahlen, alte Zeitschriften einzulagern? Behalte die Sachen, die du vielleicht einmal haben möchtest, die Sachen, die du vielleicht einmal brauchen kannst, aber verkaufe den Rest. Schaff dir den Plunder vom Hals. Löse ihn auf.
    Aber mir erscheint es vernünftig. Ich bin erst achtzehn. Wie soll ich wissen, was ich in meinem Leben einmal haben möchte? Wie soll ich wissen, welche Sachen ich einmal brauchen werde?

 
    Der Autor möchte Anoukh Foerg, Frances Foster, Michael Martin, Irene Skolnick, der John Simon Guggenheim Memorial Foundation, der MacDowell Colony sowie der Corporation of Yaddo seinen Dank aussprechen.

Die Originalausgabe erschien 2007 unter dem Titel«Someday this pain will be useful to you»bei Farrar, Straus and Giroux, New York.
     
     
    Ein Teil dieses Romans ist ursprünglich auf nerve.com erschienen.
    Verlagsgruppe Random House
     
     
    1. Auflage
    © 2008 der deutschsprachigen Ausgabe by
Albrecht Knaus Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
    Werbeagentur GmbH, München,
unter Verwendung eines Motivs von Getty Images
Gesetzt aus der Sabon von Greiner & Reichel, Köln
Druck und Einband: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm
    eISBN : 978-3-641-02503-8
     
    www.knaus-verlag.de
    www.randomhouse.de
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