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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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schiefen, den Gillian getöpfert hatte. Ich wartete darauf, dass sie sich umdrehen und zurück ins Haus kommen würde, aber sie blieb so stehen, ganz gebannt, wie mir schien, von dem, was sie beobachtete. Also ging ich nach oben, um das Bett im Gästezimmer zu beziehen.
    Nach ein paar Minuten hörte ich, wie meine Großmutter ins Haus kam und irgendetwas in der Küche machte (wahrscheinlich wischte sie die Arbeitsplatte, die ich bereits abgewischt hatte, noch einmal ab), und dann kam sie nach oben. Ich saß auf einem der beiden Betten im Gästezimmer und sah mir eine Ausgabe des National Geographic an, die ich aus dem Stapel auf dem Nachttisch gezogen hatte. Sie war aus dem Jahr 1964, und das Titelblatt zeigte ein weißes Pferd, das auf den Hinterbeinen stand. Die Schlagzeile lautete:«Das gibt es nur in Wien: Die tanzenden weißen Hengste.»
    Meine Großmutter stand in der Tür.«Danke, dass du die Küche aufgeräumt hast», sagte sie.
    «Gern geschehen», sagte ich.«Danke für das ausgezeichnete Essen.»
    «Ich weiß, wir haben das Problem mit dem College nicht gelöst, aber - na ja - ich glaube nicht, dass ich dir da eine große Hilfe sein kann. Ich verstehe nicht genug davon, wie das alles heutzutage so funktioniert. Aber ich bin mir sicher, James, dass es Möglichkeiten für dich gibt. Ich bin mir sicher, dass sich alles ganz von selbst lösen wird.»
    «Ja», sagte ich.«Das wird es vermutlich.»
    «Und wenn das College wirklich völlig verkehrt für dich sein sollte, wenn du es wirklich so grässlich finden solltest, wie du jetzt befürchtest, nun - es wird trotzdem nicht umsonst gewesen sein hinzugehen. Manchmal können schlechte Erfahrungen sogar ganz hilfreich sein, sie lassen einen deutlicher erkennen, was man tatsächlich tun sollte. Ich weiß, das klingt sehr blauäugig, aber es stimmt. Menschen, die nur gute Erfahrungen gemacht haben, sind nicht sonderlich interessant. Sie mögen ja zufrieden und einigermaßen glücklich sein, aber sie sind nicht sehr feinsinnig. Es mag jetzt aussehen wie ein Unglück, und es erschwert alles, aber na ja - es ist leicht, wenn man immer mit allem glücklich ist. Das bedeutet nicht, dass es unbedingt einfach ist, glücklich zu sein. Aber ich glaube nicht, dass du so ein Leben führen wirst, und ich glaube, das ist auch besser für dich. Das Schwierige daran ist, sich nicht von den harten Zeiten bezwingen zu lassen. Du darfst nicht zulassen, dass sie dich besiegen. Du musst sie als ein Geschenk betrachten - ein grausames Geschenk, und doch ein Geschenk.
    Ich schweife ab, ich weiß, und ich höre jetzt auch damit auf. Ich habe mich heute ganz seltsam gefühlt, die ganze Zeit, seit ich von diesem Nickerchen aufgewacht bin. Aber da ist noch etwas, was ich dir sagen will. Etwas, von dem ich möchte, dass du es jetzt erfährst. Es geht um mein Testament, James. Ich hinterlasse alles, was hier im Haus ist, dir. Das Haus selbst wird verkauft werden, aber alles, was darin ist, wird dir gehören. Und ich möchte, dass du damit machst, was immer dir gefällt - behalt es, verkauf es, gib es fort, verbrenne es auf einem Scheiterhaufen, oder alles zusammen. Und natürlich bekommst du auch etwas Geld, aber das ist zu langweilig, um darüber zu sprechen.«
    Ich sagte nichts. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich blickte auf den National Geographic , auf eine Seite voller Bilder von weißen Hengsten, die verschiedene Kunststückchen vollführten.
    «Ich wollte nur, dass du das weißt», sagte meine Großmutter.«Ich wollte, dass du weißt, wie wichtig es mir ist, dass du entscheidest, was aus all meinen Sachen wird.»
    «Ich behalte sie», sagte ich.«Ich behalte alles.»Ich hielt die Zeitschrift hoch.«Ich behalte die hier.»
    «Nein», sagte meine Großmutter.«Das ist nicht das, was ich will. Das sind bloß Dinge. Sie bedeuten nichts. Behalte nur das, was du haben möchtest.»Sie ging durch das Zimmer und gab mir einen Kuss und strich mir übers Haar.«Und jetzt gehe ich schlafen», sagte sie.«Ich weiß zwar nicht, wie ich nach diesem langen Nickerchen noch müde sein kann, aber ich bin es. Und du siehst auch müde aus.»
    «Das bin ich», sagte ich.
    «Es war ein langer Tag», sagte sie.
    «Ja», sagte ich.
    «Schlaf gut», sagte sie.
    «Ja», sagte ich.«Du auch. Gute Nacht.»
    Sie sagte, Gute Nacht, und ging aus dem Zimmer. Ich saß noch eine Weile auf dem Bett und blätterte in der Zeitschrift, ohne sie mir wirklich anzusehen. Ich dachte an all die Dinge im Haus meiner
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