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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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Großmutter und daran, wie sehr ich sie alle liebte. Irgendwie hatte ich das törichte Gefühl, dass mein Leben ja vielleicht nicht elend wäre, wenn ich diese Dinge in meiner Nähe behielt.
    Aber ich wusste, dass sie diese Macht nicht besaßen, dass sie überhaupt keine Macht besaßen. Es waren einfach nur Dinge. Objekte.

16
    Mittwoch, 30. Juli 2003
    Am nächsten Morgen wachte ich gegen neun Uhr auf. Einen Augenblick lang war ich mir nicht sicher, wo ich war, und dann erkannte ich die Vorhänge vor dem Fenster, und es fiel mir wieder ein.
    Ich fand meine Großmutter in der Küche. Sie hatte einen riesigen Berg ernstlich missgebildeter Zucchini auf der Arbeitsplatte gestapelt und hackte die langen grünen Schlangen wie wild in Scheiben.
    «Wahnsinn», sagte ich.«Die Zucchini da tun mir ganz schön leid.»
    «Mir nicht», sagte sie.«Ich hasse Zucchini. Mrs. Takahashi hört einfach nicht auf, mir welche rüberzubringen. Ich dachte immer, ihr Englisch wäre ganz gut, aber offenbar kann sie die Bedeutung von«Vielen Dank, aber bitte keine Zucchini mehr»nicht verstehen. Also backe ich Zucchinibrot. Das klingt grässlich, ich weiß, aber es ist ganz genießbar. Möchtest du ein paar Eier? Ich würde diese Dinger mit Freuden eine Weile da liegen lassen und dir ein Ei braten.»
    «Nein, danke», sagte ich.«Ich fahre zurück in die Stadt.»
    «Ohne Frühstück? Wie wäre es mit einem Kaffee?»
    «Ich hole mir unterwegs einen», sagte ich. Mir war sehr daran gelegen, nach Hause zu kommen, denn ich wollte nicht, dass meine Mutter ausflippte und die Polizei rief oder so was. Nach den Ereignissen in D.C. hatte ich ihr mehr oder weniger versprochen, dass ich nie wieder einfach so verschwinden würde.«Es war schön, dich zu sehen», sagte ich.«Bis bald.»
    «Es war auch schön, dich zu sehen», sagte sie. Sie legte das Messer beiseite und wischte sich die Hände an der Schürze ab.«Es tut mir leid, wenn ich gestern Abend etwas seltsam war. Heute Morgen fühle ich mich schon wieder viel mehr wie ich selbst.»
    «Du warst überhaupt nicht seltsam», sagte ich.«Du hast mir eine Menge guter Ratschläge gegeben.»
    «Das möchte ich ernsthaft bezweifeln», sagte sie.«Geh jetzt. Wenn du dich beeilst, erwischst du den Zug um 9.57 Uhr.»Sie gab mir einen Kuss und schob mich dann hinaus.
     
    Der Zug war ziemlich leer, nur eine Herde Vorortmütter aus Bronxville fuhr in die Stadt, um Geld auszugeben. Sie sahen sich alle auf eine irgendwie unheimliche Weise ähnlich, als wären sie alle das gleiche Automodell, nur aus verschiedenen Jahren: Die eine trug ein weißes Strandkleid mit rosa Streifen, die andere ein rosa Strandkleid mit grünen Tupfen. Alle hatten sie Sandalen an, und auf den identisch frisierten Köpfen thronten Designer-Sonnenbrillen. Irgendwie deprimierte mich dieser Anblick, denn ich hatte immer gedacht oder gehofft, dass die Erwachsenen diesem geistlosen Konformismus nicht so restlos verfallen sind wie offenbar so viele Leute meines Alters. Ich hatte mich immer aufs Erwachsensein gefreut, weil ich dachte, dass die Welt der Erwachsenen - nun ja, erwachsen sei. Dass die Erwachsenen nicht so auf Cliquen aus seien, dass sie nicht so gemein seien, dass diese ganzen Ansichten, wer cool ist oder in oder beliebt, nicht mehr über alle gesellschaftlichen Aspekte bestimmen würden, aber so langsam begriff ich, dass die Welt der Erwachsenen ebenso sinnlos brutal und voller gesellschaftlicher Fallstricke ist wie das Paradies der Kindheit. Und ich wusste, dass die Ladys unter ihrem glänzenden Anstrich aus Selbstbewusstsein und Privilegien nervös waren, fast schon Angst hatten, denn ihnen war klar, dass sie nicht mehr in die Stadt gehörten - in dem Moment, als sie ihren Investment Broker geheiratet hatten und nach Bronxville gezogen waren, hatten sie aufgehört, New Yorker zu sein. Die Stadt ist grausam, was das betrifft.
    Und dann dachte ich, dass ich genauso verbannt wäre, wenn ich nach Indiana ziehen würde (obwohl sich meine Meinung diesbezüglich nach meiner Unterhaltung mit Jeanine Breemer geändert hatte). Ich könnte immer wieder zurück in die Stadt fahren, aber ich würde mir genauso vertrieben vorkommen wie die Vorortmütter. Selbst wenn ich auf die Brown ginge und ziemlich regelmäßig nach Hause käme, würde ich mich vielleicht so fühlen. In New York City verändert sich alles immer so schnell; man merkt das, auch wenn man nur eine Woche weg ist: Aus dem griechischen Restaurant wird ein äthiopisches
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