Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
Vom Netzwerk:
du Kaffee?», fragte ich.
    «Nein», sagte Gillian.«Ich führe ein wissenschaftliches Experiment durch. Natürlich mache ich Kaffee. Wie dämlich bist du eigentlich?»
    «Dann mach mir doch bitte auch einen.»Ich setzte mich an den Tisch.«Wo ist Mom?»
    «Weiß ich nicht.»Sie füllte Wasser in die Kaffeemaschine und schaltete sie ein.«Im Bett, glaube ich. Oder vielleicht auch unterwegs. Ich bin gerade erst aufgestanden, und ich bin ziemlich schlecht gelaunt, also lass mich lieber in Ruhe.»
    «Wieso bist du schlecht gelaunt?»
    Sie drehte sich um und sah mich an.«Wieso ich schlecht gelaunt bin? Ich bin schlecht gelaunt, weil mir Leute wie du - um genau zu sein, nicht wie du, sondern ausgerechnet du - Fragen stellen wie ‹Wieso bist du schlecht gelaunt?›, nachdem ich sie gerade gebeten habe, mich in Ruhe zu lassen.»Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Kaffee zu.
    Ich schwieg einen Augenblick, und dann sagte ich:«Weißt du, langsam wirst du wirklich so richtig unausstehlich.»
    Sie gab keine Antwort, betrachtete nur eingehend die Kaffeemaschine, als handelte es sich tatsächlich um ein wissenschaftliches Experiment. Als er durchgelaufen war, goss sie den Kaffee in zwei große Tassen. Sie holte die Milch aus dem Kühlschrank und goss ein wenig in jede Tasse, und dann gab sie in eine der beiden Tassen einen Löffel Zucker. Sie trug die Tassen zum Tisch und stellte mir den gezuckerten Kaffee hin. Ich war sprachlos: Es sah Gillian so überhaupt nicht ähnlich, mir einen Kaffee (oder sonst etwas) so zuzubereiten, wie ich es gern mochte.
    Ich nahm einen Schluck und sagte:«Danke. Er schmeckt sehr gut.»
    Sie trank ihren Kaffee nicht, sie hielt ihn nur in den Händen, als wären diese kalt und sie müsste sie wärmen. Nach einem Moment sagte sie:«Tut mir leid.»
    «Schon okay», sagte ich.«Ich bin es ja gewohnt.»
    «Nein», sagte sie,«du hast ganz recht - ich kann wirklich ziemlich unausstehlich sein. Ich bin schrecklich.»
    «Du bist nicht schrecklich», sagte ich.
    «Doch, bin ich. Ich bin schrecklich. Und ich werde nicht mit dir darüber diskutieren.»
    «In Ordnung», sagte ich,«aber ich finde nicht, dass du schrecklich bist.»
    Gillian antwortete nicht. Ihre Gesichtszüge bebten ganz eigenartig, als könnte sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Ein oder zwei Minuten lang tranken wir schweigend unseren Kaffee, und dann sagte Gillian plötzlich:«Ich bin schlecht gelaunt, weil Rainer Maria mir den Laufpass gegeben hat.»
    «Er hat dir den Laufpass gegeben?», fragte ich.
    «Ja», sagte Gillian.«Seine Frau hat irgend so einen Superjob in der Leitung von Berkeley bekommen, und sie haben ihm auch einen Job angeboten, also ziehen sie dahin und fangen noch mal von vorn an und erneuern ihr Eheversprechen und so und machen noch einen Haufen anderen Kram, der zu abscheulich ist, um darüber zu reden.»
    «Na ja, das ist kein Laufpass. Er hat dir nicht den Laufpass gegeben. Er mag dich ja verlassen, aber er gibt dir nicht den Laufpass. Das ist ein großer Unterschied.»
    «Ja, so hat er auch versucht zu argumentieren, aber ich kann da keinen Unterschied erkennen. Das ist bloß eine Frage der Semantik. Das ist wohl der Preis, den man bezahlt, wenn man einen Sprachtheoretiker liebt.»
    «Das tut mir leid», sagte ich.«Ich mochte R. M. Er wird mir fehlen.»
    «Mir auch», sagte Gillian ohne jede Ironie, was sehr beunruhigend war.
    «Nun, vielleicht ist es ja besser so. Ich meine, er war ein netter Kerl und all das, aber er ist verheiratet und viel älter als du. Vielleicht findest du ja jetzt einen, der besser zu dir passt.»
    «‹Einer, der besser zu mir passt›: Du klingst wie bei der Partnerschaftsberatung, James. Und du bist ja wohl kaum der Richtige, um mir einen Rat zu geben - was weißt du schon von der Liebe?»
    «Nichts», sagte ich.
    «Genau das meinte ich», sagte Gillian.
    «Ich habe meine Meinung geändert», sagte ich.«Du bist doch schrecklich.»
    Zum Glück bereitete das Geräusch meiner Mutter, die den Flur herunterkam, dieser rapide an Niveau verlierenden Unterhaltung ein Ende. Gillian sagte:«Sprich nicht über die Sache. Sie weiß nichts davon.»
    «Sie weiß nichts wovon?», fragte meine Mutter. Sie stand in einem Bademantel in der Tür, die Haare vom Schlaf zerwühlt. Sie sah ein wenig benommen aus, aber das war nicht ungewöhnlich, denn meine Mutter beginnt (und beendet) den Tag häufig in einem Zustand der Benommenheit. Keiner von uns antwortete auf ihre Frage, und sie hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher