Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du stirbst nicht: Roman (German Edition)

Du stirbst nicht: Roman (German Edition)

Titel: Du stirbst nicht: Roman (German Edition)
Autoren: Kathrin Schmidt
Vom Netzwerk:
Marika auch sie gesehen. Wenn die beiden nichts über ihre Verfassung wissen, sie aber mit zwei verrückten Alten im Zimmer ist, denken sie sich ihre Portion. Sie muss sie vom Gegenteil überzeugen. Nur wie?
Als sie frisch geputzt im Rollstuhl vor die Tür gefahren wird, sieht sie, dass Marika geweint hat. Sie übergeht es, aber es ist zu spät zum Sprechen. Morgens geht es besser. Sie lotst Marika und Ellen in die Cafeteria. Erschöpft trinkt Helene einen Tee, möchte dann aber, dass sie gehen.

Die Wochen vor dem Platzen des Aneurysmas sind ausgelöscht. Nichts mehr da. Manchmal taucht ein Bruchstück einer Erinnerung auf, aber ehe sie es zu fassen bekommt, ist es weg. Sie wundert sich auf einmal, warum die kleine Tochter noch nicht bei ihr war. Warum denkt sie so selten an Lottchen? Immerhin ist sie erst fünf. Wenn Helene die Augen schließt, sieht sie ein kleines, schlitzäugiges Gesicht mit spitzbübischem Grinsen. Liebt sie es? Aber ja! Jetzt zieht es vom Herzen aus. Sie muss Matthes unbedingt fragen, darf es nicht nicht nicht vergessen.

Sie sollte sich einen Erinnerungsfaden denken, an dem sie sich entlanghangelt. Es wird sicher mühsam werden, aber wie sonst sollte sie die vergangenen Wochen, vielleicht Monate, zurückbekommen? Matthes sagt, zwei Wochen habe sie im künstlichen Koma verbracht. Träumt man während dieser Zeit? Ihr ist, als habe sie geträumt, aber die Übergänge zum Erlebten sind wohl fließend. Zwei Wochen kann sie eher gleich herausschneiden aus dem Film, den sie zusammenpuzzeln will.
Liebt sie Matthes?
Es zieht nicht. Früher zog es. Das weiß sie.

Besuch.
Wo ist Lottchen?
Große Freude, dass sie daran gedacht hat, nach ihr zu fragen. Sie hat sie nicht vergessen. Ihr jüngstes Kind. Matthes erzählt, dass Lottchen bei ihren Eltern ist. Die Kleine wird hoffentlich schöne Zeiten dort haben … Ihr Vater wird mit Lottchen auf die Sommerrodelbahn am Inselsberg fahren oder ins Tabarzer Spaßbad. Sie freut sich für die Tochter, wenn sie sie auch vorläufig nicht zu sehen bekommt.
Bengt hat ein Urlaubssemester genommen, sagt Matthes, und Bill, der eigentlich im Frühjahr ausgezogen ist zu seiner Freundin, verbringt viel Zeit im Karlshorster Haus.
Richtig, sie haben ja ein Haus. Haben es 1998 gebaut, vor knapp vier Jahren. Schlagartig kommt die Zimmeraufteilung: die große Erlenküche mit Erker, das lange Wohnzimmer mit Kaminofen. Das Schlaf-, das Lottchenzimmer unten. Oben die Zimmer für Lissy und Mareile, das Arbeitszimmer ihres Mannes und – ihr Arbeitszimmer! Sie ist ja Schriftstellerin! Darauf war sie nun wirklich nicht vorbereitet. Ihr fallen Bücher ein, die sie geschrieben hat. Hat sie an einem neuen Buch gearbeitet? Kein Arbeitstitel taucht auf. Vielleicht hatte es ja noch keinen Titel.
Läpptopp! , sagt sie.
Schon dabei, sagt Matthes und holt ihn tatsächlich aus seinem Rucksack hervor. So ein Service aber auch.
Ja, jetzt zieht es ein bisschen.

Was ist »früher«?
Sie kriegt ihren dreiundvierzigsten Geburtstag noch zusammen. Wie viele Leute ihr einfallen … Sie alle waren gekommen, sogar Carla von der Mosel. Einen Mann hatte sie mitgebracht, der ihr ausnehmend gut gefiel. Einen Steinmetz aus Rostock. Sie erinnert sich: Er berührte Carla wie beiläufig, das hatte Helene wohlige Schauer beschert. Warum will ihr nicht einfallen, ob Matthes sie an diesem Geburtstag berührte?
Ein Quiz hat er veranstaltet. Wer kennt am besten die Persönlichkeit von Helene Wesendahl? Da, eine Frage kommt wieder: Was fasst sie zuletzt am Abend und zuerst am Morgen an? Richtige Antwort: den Wecker. Und da, noch eine! Welchem Politiker würde Helene gern mal die Pickel ausdrücken? Immer, wenn sie Gerhard Schröder im Fernsehen gesehen hatte, hatte es ihr in den Fingern gejuckt. Überraschenderweise hatte der Steinmetz, der sie an jenem Tage zum ersten Mal sah, alle Fragen richtig beantwortet und das Quiz gewonnen. Der vierundvierzigste Geburtstag vor einem halben Jahr liegt hingegen ziemlich im Dunkeln. Vielleicht hatte sie ihn nicht feiern wollen.

Sie möchte Agatha Christie lesen. Nicht Martha Grimes, deren erste Inspektor-Jury-Romane ihr ausnehmend gut gefallen hatten. Sie fürchtet sich davor, Martha Grimes womöglich nicht zu verstehen. Dann schon lieber Agatha Christie. Die hat sie schon als sehr junges Mädchen gelesen, vielleicht lässt sich ja ein Wiedererkennungseffekt ausmachen.
Was sie will, lässt sich per Laptop natürlich viel besser sagen. Eine lange Liste hat sie zusammengestellt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher