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Du Mich Auch

Du Mich Auch

Titel: Du Mich Auch
Autoren: Ellen Berg
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dich.«
    Innerhalb von zwei Minuten war der Saal völlig überfüllt. Selbst an den Wänden standen dicht gedrängt Journalisten, in den Gängen hockten jüngere Kollegen. Manche hatten Schreibblöcke auf den Knien, andere hielten Aufnahmegeräte in die Luft. Überall wurde aufgeregt gemurmelt.
    Evi sah auf die Uhr. Es war Punkt zwölf.
    Beatrice glitt auf den freien Platz neben Evi. Sie hatte Hans-Hermann mitgebracht. »Showdown!«, wisperte sie ihrer Freundin ins Ohr.
    Evi lächelte Hans-Hermann zuckersüß zu. Und genoss es, als er plötzlich begriff, wen er vor sich hatte.
    Ein Blitzlichtgewitter setzte ein, als Familienminister Dr. Horst Hoffner und Staatssekretärin Dr. Katharina Severin auf das Podium zugingen. Katharina trug ein beigefarbenes Kostüm und war weiß wie die Wand. Mit durchgedrücktem Rücken stieg sie auf das Podium. Horst Hoffner schien völlig durch den Wind zu sein. Sein Haar stand unordentlich zu Berge, und auf seinem Kinn prangte ein Pflaster, als hätte er sich beim Rasieren geschnitten.
    Dann betrat ein alerter junger Mann das Podium und rückte ein Mikrophon zurecht, neben dem ein Schild mit der Aufschrift »Pressesprecher« stand. »Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Pressekonferenz des Familienministers«, sagte er. »Ich bitte um absolute Ruhe. Der Herr Minister wird nun eine Erklärung verlesen. Im Anschluss haben Sie Gelegenheit, einige Fragen zu stellen.«
    »Was soll das denn?«, brummte Werner. »Wieso hast du mich hierhergeschleppt? Ich dachte schon, ich krieg ’nen Orden oder so was.«
    Evi sah unverwandt geradeaus. »Wart’s ab.«
    Horst Hoffner entfaltete einen Zettel. Evi konnte sehen, dass seine Hände kaum das Papier halten konnten, so sehr zitterten sie. Hoffner sah eindeutig aus wie ein Mann, der schlecht geschlafen hatte. Sehr wahrscheinlich hatte er in der Nacht zuvor kein Auge zugetan.
    »Verehrte Damen und Herren«, las er mit brüchiger Stimme vor. »Es ist mir eine traurige Pflicht …« Er brach ab und räusperte sich. Einige Kameras klackten. »… Ihnen meinen Rücktritt …«, die Kameras klackten lauter, »… vom Amt des Familienministers mitzuteilen.«
    Rufe des Erstaunens wurden laut. Ein paar Fotografen durchbrachen die Sicherheitszone und bezogen kniend vor dem Podium Stellung. Das waren Sternstunden für die Presse. Gnadenlos wurde das zerfurchte Gesicht des Politikers abfotografiert.
    »Der Grund meiner Demission …«, Hoffner warf einen kurzen Blick zu Katharina, »… ist gesundheitlicher Natur. Ich bitte um Verständnis, dass ich hier nicht weiter ins Detail gehe.«
    Der Familienminister griff nach einem Wasserglas, dasneben seinem Mikro stand, als könnte es ihn noch retten. Mit geschlossenen Augen trank er es leer. »Selbstverständlich möchte ich dieses so überaus wichtige und ehrenvolle Amt weiterhin in den besten Händen wissen. Daher habe ich mich nach eingehender Beratung in Regierungskreisen und einem Vieraugengespräch mit der Kanzlerin …« Seine Stimme versagte ihren Dienst. Eine ungesunde Röte überzog sein Gesicht, und er blinzelte nervös.
    »Wer?«, rief ein Journalist. »Wer wird Ihr Nachfolger?«
    »… dazu entschlossen«, quetschte Hoffner mit letzter Kraft hervor, »eine der fähigsten und kompetentesten Politikerinnen meines Stabs mit dieser Aufgabe zu betrauen: Staatssekretärin Dr. Katharina Severin!«
    Plötzlich schrien alle durcheinander. Einige Pressevertreter zückten ihre Handys, um die Neuigkeiten an ihre Redaktionen durchzugeben, andere hackten wie ferngesteuert auf ihre Laptops ein.
    »Ruhe!«, mahnte der Pressesprecher. »Sonst lasse ich den Saal räumen!«
    Tatsächlich trat wieder Stille ein. »Und nun erteile ich Frau Dr. Severin das Wort.«
    Evi und Beatrice fassten sich an den Händen und drückten sie fest.
    »Meine Damen und Herren, es ist mir durchaus bewusst, welch eine Dramatik es hat, wenn ein so«, Katharina schaute zu Hoffner, und jedes Wort musste in seinen Ohren wie ein Peitschenknall klingen, »verdienter, engagierter und integrer Politiker wie Dr. Hoffner vorzeitig sein Amt zur Verfügung stellt. Ich versichere Ihnen, dass ich es mit hohem Pflichtbewusstsein und Liebe zur Sache ausfüllen werde.«
    Spontaner Applaus brandete auf. Nur Evi und Beatricewaren unfähig zu klatschen. Beide hatten eine Gänsehaut. Dies war ein historischer Moment, und das nicht nur für die Welt der Politik.
    »Bevor Sie Ihre Fragen stellen«, fuhr Katharina fort, »möchte ich Ihnen ein Projekt
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