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„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)

„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)

Titel: „Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
Autoren: Klaus Gunschmann
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Tischen zu »Should I stay or should I go« von The Clash herum. Alle fanden es affengeil, wie die Beiden sich gegenseitig antanzten, und auch wir hatten den Eindruck, als würden sie in den nächsten Sekunden – wäre eins dagestanden – im Bett landen. Ich weiß nicht mehr wie, aber es ging ratzeschnell, dass Vivian schreiend aufs Klo lief und über eine Stunde wegblieb. Ich war kurz davor, die Toiletten zu checken, ob was mit ihr passiert sei, als sie schluchzend zurückkam; es war nur noch der Aushilfsdrummer von der Band am Tisch. »Sie haben dich rausgeworfen«, sagte er, »aus der Band, du bist raus!« Irgendwie schien es ihn zu amüsieren, aber er machte einen auf Mitleid und nutzte die Gunst der Stunde. Schließlich sind leidende Mädchen ein gefundenes Fressen für den netten Onkel von der Schießbude. Aber weit kam er nicht und Vivian biss ihn in die rechte Hand, als diese gerade den Weg zu ihren Brüsten suchte, dann stieß sie ihn von sich weg und verschwand im Getümmel auf der Tanzfläche. Tja, der Amateurschlagzeuger, dieser Triebtäter, hatte nun definitiv die Arschkarte: Statt bumsen war zahlen angesagt.
    Am Freitag früh um fünf entdeckte ich Vivian, wie sie vor der P-1-Tür auf dem Treppenabsatz saß. Sie heulte wie ein Schlosshund. Ihre verwässerte schwarze Wimperntusche lief ihr über die Wangen auf das weiße T-Shirt mit dem Motiv von Sinéad O’Connor. Das hatte schon wieder was Künstlerisches, wie die Mascara das Gesicht der Popschwester in eine schwarze Monsterfratze verwandelte. Es war ein schöner Junimorgen und ich setzte mich neben Vivian auf den Treppenabsatz. Ich zog meine Sonnenbrille aus der Jeanstasche, denn die ersten Sonnenstrahlen blendeten wie weiße Laserpointer, und erst jetzt sah ich ihr wunderschönes Gesicht, ihre zauberhaft tiefliegenden Augen, warm und blau und grün. Ihre Haare waren noch ganz nass, weil sie ihren Kopf zur Ernüchterung im WC unter kaltes Wasser gehalten hatte. Ich traf eine Entscheidung, während ich sie anschaute: Unglückliche Mädchen brauchen jemanden, der ihnen zuhört, und das konnte ich ganz gut.
    Ein kleiner Wicht in einer Zimmermannsweste fand sich plötzlich zwischen Vivian und mir. Ich sagte: »Hi, wer bist du denn?« Und der Typ: »Hallo, ich bin Soundso, der Aufnahmeleiter hier.« Und ich: »Na so was.« Und er dann: »Könnt Ihr euch woanders hinsetzen? Wir müssten hier mal durch.« Ich dachte, wer bin ich denn, dein Fernseh-Hiwi oder was? Ich sollte ihm eigentlich mal die Leviten lesen, von wegen Türsteher und so. Aber ich sah dann doch davon ab und schon kamen die anderen durch die Tür mit Mikroständern, Boxen, Musikinstrumenten und dem ganzen Zeug, das sie für die Auftritte brauchten.
    Es war also Freitag, der Tag, an dem die Fernsehaufnahmen stattfanden. Ich spürte gleich, dass das im weiteren Verlauf ein Scheißtag werden würde. Es begann damit, dass Gianni angerannt kam, als sei der Leibhaftige hinter ihm her: »Es brennt, es brennt!« Die schlaksigen Beine unseres italienischen Barmannes verhedderten sich beinahe in seiner weit fallenden Puffhose; vorher blieb er aber mit dem glasbunten Kettengewirr, das er um seinen Giraffenhals drapiert hatte, am Zigarettenautomat vor dem Büro schmuckvoll hängen. Da die Perlenketten höchstens die Länge eines Schullineals aufwiesen, zog es ihn im Finish seines Fluchtlaufs schleudertraumaartig zurück, und dann setzte er sich unfreiwillig mit seinem spindeldürren Italienerpo mitten auf den seltenen Topfkaktus, den unser Geschäftsführer Kurt vom Vorstand der GÖK, der Gesellschaft österreichischer Kakteenfreunde, als Gastgeschenk fürs Reinlassen angenommen hatte, freiwillig und ohne Gegenrede. Natürlich waren keine lodernden Flammen zu sehen, kein Rauch, und man konnte auch nichts riechen, außer dem beißenden Gestank von Giannis mit Angstschweiß durch tränktem AC-Parma-Trikot. Jetzt hörten wir es auch. »Fire! Fire!«, schallte es aus dem Club bis ins Büro, laut, hysterisch, verstörend, weiblich. Die schrille Frauenstimme hörte gar nicht mehr auf und gellte immer weiter: »Fire! Fire!« Den Rest konnten wir nicht verstehen. Nur so viel: Es klang mitnichten wie ein alarmierender Hilferuf, eher wie entsetzlich pubertäres Mädchengekreische.
    Wir waren heilfroh, dass Gianni in seinem Brass nicht gleich die Sprinkleranlage ausgelöst hatte. Wäre echt heftig gewesen, wenn sechstausend Liter das P1 unter Wasser gesetzt hätten. Von den Toten und Verletzten durch die
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