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„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)

„Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)

Titel: „Du kommst hier nicht rein!“: Der Mann an der härtesten Tür Deutschlands packt aus (German Edition)
Autoren: Klaus Gunschmann
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hatte ich mächtigen Respekt, wobei die Eingangstür zu den Ausstellungsräumen mit einem Obolus von damals fünf Mark sehr schnell einzunehmen war. Aber schließlich war es mitten in der Nacht und um die Zeit hatten Ausstellungen bekanntlich geschlossen. Da ich nun meine Lauerstellung auf dem Mauervorsprung aus Gründen der eigenen Sicherheit verlassen musste, hatte ich erst mal Schiss, dass er mich sehen würde, wie ich da so stehe und schaue. Und das wäre sehr schlecht, wenn er mich sehen würde, wie ich da so stehe und schaue. Denn das mögen Leute wie er nicht. Das hatte ich von den anderen gehört. Und die wissen ganz genau, wie man sich anstellen muss, damit es keine Probleme gibt. Angeblich muss man besonders gut riechen. Ein bisschen Exhibitionismus muss man schon mitbringen und coole Klamotten sind Pflicht, je verrückter, umso besser, ach ja, und besonders wichtig sind die Schuhe. Er schaut immer auf die Schuhe. Egal, ob es die zwiegenähten Budapester oder die ausgetretenen Basketballstiefel sind: Dein Schuhwerk ist das Aushängeschild deines sozialen Auftritts. An ihnen kannst du den Charakter erkennen und in die Seele schauen. Selbst abgelatschte Schlappen können bei süßen Girls heutzutage mehr über ihren Geschmack aussagen als sündteure High Heels mit roten Sohlen.
    Ich hatte mindestens fünfhundertmal die Miene geübt, den Blick, wie ich ihn anschauen sollte, wenn ich dann vor ihm stünde. Hundeblick? Scheiße. Ernst gucken? Superscheiße. Cool schauen? Okay, aber verdammt noch mal, wie zur Hölle trainiert man seine Mimik, um einem fremden Mann einen coolen Blick zuzuwerfen, ohne dass dieser gleich denkt, man wolle ihn anmachen? Am besten nicke ich ihn an. Nicken ist immer gut. Aber von unten nach oben, das bedeutet in etwa »Hi, ich bin’s, dein Stammgast« und verheißt ein intimes Gefühl der Vertrautheit, sodass der Türsteher denken müsste, er kenne mich schon seit Langem.
    Nun wandte ich mich von der Ostwand ab und schlich seitwärts Stück für Stück in Richtung des Menschenpulks vor der Tür. Manche Beobachter eines solchen Pulks vor einer Disco unterstellen den Wartenden einen gewissen Masochismus: Der Genuss des Ausgehens bestehe für sie darin, diesen lieber vor der Tür eines Clubs auszuleben als drinnen auf der Tanzfläche. Vielleicht aber glauben die Leute in der Traube vor der Tür auch, der Türsteher werde sich irgendwann ihre Gesichter schon merken und sie eines Tages für Stammgäste halten. Ich war mir noch nicht sicher, welche Bedeutung es für mich selbst haben würde, die nächsten Nächte vor der P-1-Tür im Kreise der anonymen Draußenbleiber zu verbringen. Letztendlich war es doch mein Ziel, den Pulk der Abgewiesenen als Reinkommer hinter mir zu lassen.
    Damals war es gar nicht so einfach, etwas Wissenswertes über die Einlasskriterien der Clubs in Erfahrung zu bringen. Internet und Smartphones kannte man nicht, man schrieb sich noch Briefe oder hörte die neuesten Storys bei Weinbrand-Cola im Schwabinger Peaches. Dort saßen auch wir jeden Freitagabend ab halb acht und sinnierten über die Schaumkrone des Weißbiers oder ergründeten in langatmigen Gesprächen, warum die Zündapp KS 50 mit aufgebohrtem Zylinderkopf trotzdem langsamer war als die Yamaha DT 50. Getestet hatten wir das immer bei unseren Fahrten an den Tegernsee. Die Landstraße zwischen Holzkirchen und Gmund war herrlich übersichtlich, sodass wir immer zu dritt nebeneinander herfahren konnten. Bei der vorletzten Kurve, die wir meist mit 65 Sachen nahmen, mussten wir allerdings eine unserer Rekordfahrten abbrechen, sonst hätten wir uns wahrscheinlich auf dem gehäkelten Klorollen-Plaid im Fond des entgegenkommenden zitronenfarbenen Sportcoupés wiedergefunden.
    Ziel unserer Fahrten war das Moschner in Rottach. Eigentlich war das Moschner das Vorbild aller Dinnerclubs auf der ganzen Welt. Ohne ein Moschner hätte es die Buddha-Bar in Paris nie gegeben. Die mit Ebenholz getäfelte Stube war wie jedes Wochenende zum Abendessen bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Grillteller mit Pommes für zehn Mark war der Renner schlechthin und allein deshalb hatte sich die fünfzig Kilometer lange Mopedfahrt längst gelohnt.
    Hier, in der Wirtsstube des Moschner, machte ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Nachtleben und schon dort spürte ich sofort, dass es nicht meine letzte Nacht gewesen sein sollte. Das lag nicht nur an den hübschen blonden Mädels aus dem Tegernseer Tal oder an unserer rappenden
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