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Die Schwestern

Die Schwestern

Titel: Die Schwestern
Autoren: Portia Da Costa
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1   Der Kunstliebhaber
    Diese Hitze ist kaum auszuhalten, dachte Deana Ferraro und beobachtete, wie das Kondenswasser langsam an ihrem Glas herablief.
     Es war erst Frühsommer – der dreißigste Mai, um genau zu sein   –, aber die Temperaturen waren ungewöhnlich hoch, drinnen wie draußen.
    Der Schweiß rann ihr ungehindert zwischen die Pobacken und streichelte sie dort wie ein unsichtbarer Liebhaber. Sie stellte
     sich vor, wie sich die Tropfen in ihrer Vulva sammelten. In der pfirsichweichen Grotte ihres Unterleibs herrschten geradezu
     vulkanische Bedingungen, was sie nicht verwunderte, denn auch in der Galerie war es drückend heiß.
    Es liegt an dieser verdammten Ausstellung!, dachte sie erregt. Sie würde sogar das Blut einer züchtigen Bibliothekarin in
     einem Nonnenkloster in Wallung bringen, ganz zu schweigen von einer armseligen, sexhungrigen Kreatur wie mir.
    «Erotische Visionen – die Kollektion de Guile» – verkündete die Hochglanzbroschüre pompös, dabei war Erotik nur eine milde
     Umschreibung der Ausstellung. Bei diesem Sammler handelte es sich um einen ausgemachten Perversling, einen Kenner sowohl der
     feinen Künste als auch der echten Pornographie, und Deana hatte in ihrem Leben schon genug Aktzeichnungen selbst angefertigt,
     um zu wissen, dass ein solches Werk leicht in beide Kategorieneingeordnet werden konnte. Ihre Zeichnungen lagen in einer «Spezialmappe», die sie in ihrer Dessouskommode aufbewahrte. Es
     schien jedoch, dass J.   K. de Guile, der Besitzer dieser Rabelais’schen Sammlung, gar nichts dagegen hatte, seine Masturbationsvorlagen einem breiten
     Publikum zu präsentieren.
    Hier gab es alles. Solosex, Paare, Gruppen. Penetrationen in aller Deutlichkeit, Analverkehr und Fetische. Jede dunkle, abartige
     Spielart der wildesten Männerphantasien und mehr.
    Und auch der Phantasien der Frauen, dachte Deana und trat unruhig von einem Bein aufs andere, während sie sich fragte, ob
     die anderen Gäste wohl ihre Gedanken lesen konnten. Es gab Zeiten, da liebte sie einen Zustand wie diesen: das intensive Ziehen
     in ihrem Unterleib, die Hitze ihrer Spalte und ihre empfindliche, geschwollene Klitoris. Aber hier, in aller Öffentlichkeit,
     war das kein Vergnügen, allein und ohne Hoffnung auf Linderung. Sie nippte an ihrem Wein und hoffte, dass er ihren Durst ebenso
     stillen würde wie ihre Lust, aber der gewünschte Effekt blieb aus. Sie verspürte den irrwitzigen Wunsch, sich hier, mitten
     in der Galerie, zu berühren, um ihre schmerzhafte Gier nach Sex, die sie seit dem Ende ihrer Affäre mit Jimmy plagte, zu befriedigen
     – wenn auch nur vorübergehend.
    Selbst schuld, Ferraro, tadelte sie sich, nippte erneut an ihrem Glas und versuchte, sich auf die gedämpfte Musik von Mozart
     zu konzentrieren, die von einem Streichertrio im Hintergrund gespielt wurde. Nur eine Idiotin oder Masochistin würde in ihrem
     frustrierten Zustand eine Ausstellung erotischer Kunst besuchen. Aber was sollte sie sonst tun? Es war ihr Geburtstag, und
     sie hatte die Nase gestrichen voll.
    Eigentlich hätte Delia heute Abend hier sein sollen, ihr Name stand schließlich auf der Einladung. Dass sie stattdessen Deana
     hergeschickt hatte, war als die schwesterliche Form einer Entschuldigung zu verstehen   … dafür,dass sie ihren Geburtstag nicht miteinander verbrachten, wie sie es sonst zu tun pflegten.
    Deana nahm es ihrer Zwillingsschwester jedoch nicht übel und hatte höchstens Mitleid mit ihr. Auch wenn die Sammlung de Guile
     ihrer Libido überhaupt nicht guttat, war sie doch einem Abendessen mit dem widerlichen Russell vorzuziehen. Was, zum Teufel,
     fand Delia bloß an ihm?
    Deana bahnte sich den Weg an einer Gruppe plaudernder Prominenter vorbei zu einem der Exponate – dann wünschte sie sich fast,
     woanders hingegangen zu sein. Es handelte sich bei dem Werk um eine wandhohe Farbfotografie mit der Darstellung eines Mannes
     und einer Frau beim Liebesakt. Man konnte sie keineswegs als eine dieser verträumten Abbildungen bezeichnen, die an strategischen
     Stellen unscharf gehalten oder schattiert waren. Nein, das Paar kopulierte fröhlich in aller Deutlichkeit, und ihre ineinandergeschobenen
     Geschlechtsorgane befanden sich direkt im Zentrum der Fotografie.
    «Gütiger Himmel», flüsterte Deana und trank noch einen Schluck Wein. Als sie die kühle Flüssigkeit in ihrem Mund spürte, kamen
     ihr zwei Gedanken. Zum einen, dass dies bereits ihr drittes Glas war und sie bald einen
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