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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt
Autoren: Nicolas Barreau
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Zunächst hatte ich siegesgewiß
das Telefonbuch aus meinem kleinen Schränkchen im Flur herausgezogen, doch ein
»Au bout du monde« war darin nicht verzeichnet. Ich hatte die Auskunft
angerufen und mich mit einer schnippischen Dame am anderen Ende der Leitung
angelegt, weil ich den Eindruck hatte, daß sie nicht engagiert genug suchte.
Ich hatte die kleine weiße Maschine angeworfen und die Suchmaschine mit dem
Zauberwort gefüttert. Ich erhielt dreihundertzweiundsechzigtausend Einträge,
vom Reiseveranstalter bis zum Swinger-Club war alles dabei, nur das, was ich
suchte, gab es nicht, und schon wieder waren vier Stunden vergangen.
    Ich hatte Bruno angerufen, der sich zwar für mich freute, daß die
Principessa es sich doch noch mal überlegt hatte mit mir, aber auch er kannte
kein »Au bout du monde« und hatte die großartige Idee, daß es sich vielleicht
um eine Bar handeln könnte, »wegen der blauen Stunde, das ist doch die
Cocktailzeit, oder?« Das brachte mich auch nicht wirklich weiter.
    Marion meinte sich zu erinnern, daß das »Au bout du monde« ein
Tanzschuppen im Marais sei. Julien d’Ovideo hielt es für den Namen eines
Graffiti-Jams in der Banlieue, und Soleil fragte, ob ich die Sache nicht falsch
verstanden hätte und nicht doch eher ein Ort wie Sansibar gemeint sei. Dann bot
sie mir zum wiederholten Mal an, ein Brotmännchen für mich zu machen.
    Aristide, auf den ich meine letzten Hoffnungen gesetzt hatte, war
völlig abgetaucht. Ich erreichte ihn weder zu Hause noch auf seinem Handy.
    Die Lösung des Rätsels kam von völlig überraschender Seite.
    Am Mittag dieses schicksalhaften Montags traf ich mich mit
Julien und Soleil im Duc de Saint-Simon, um die Bilder der Ausstellung
abzuhängen. Mir blieben noch sechs Stunden, um das Ende der Welt zu finden. Und
meine Nervosität wuchs mit jeder Minute. Mademoiselle Conti saß wie immer an
der Rezeption des Hotels, und in meiner Not fragte ich auch sie.
    Â»Das
›Au bout du monde‹?« wiederholte sie langsam, und ich kannte schon die Antwort.
    Â»Das kenne ich gut. Es ist eine kleine Reise-Buchhandlung ganz in
der Nähe.«
    Ich sah sie an wie die Glücksfee bei der Lottoziehung und lachte
ungläubig. »Sind Sie sicher?« fragte ich.
    Sie lächelte über meine aufgeregte Frage. »Aber natürlich bin ich
mir sicher, Monsieur Champollion. Ich habe dort noch vor ein paar Tagen ein
Buch bestellt. Wenn Sie möchten, können wir zusammen dorthin gehen, wenn Sie
hier fertig sind.«
    Â»Danke!« rief ich überschwenglich, und in diesem Augenblick
hätte ich die kleine Luisa Conti in ihrem dunkelblauen Kostüm am liebsten
umarmt. Wer hätte gedacht, daß das Ende der Welt in solch greifbarer Nähe lag.
Das Glück war nur noch einen Steinwurf entfernt.
    Â»Ich höre übrigens bald im Duc de Saint-Simon auf«, sagte
Mademoiselle Conti, als wir nebeneinander die schmale Rue de Saint-Simon
entlanggingen.
    Â»Oh!«
sagte ich und sah sie überrascht an. »Ich meine – wieso?«
    Sie lächelte. »Die Arbeit im Hotel war nur zur Überbrückung. Ich
habe nach den Sommerferien endlich meine Lehrstelle an der Sorbonne bekommen.
Französische Literatur.«
    Â»Oh!« sagte ich noch einmal. Nicht gerade geistreich, aber ich hatte
mir nie darüber Gedanken gemacht, daß Mademoiselle Contis Anwesenheit an der
Rezeption des Duc de Saint-Simon nur von begrenzter Dauer sein könnte. Nun ja,
eigentlich hatte sich mir nie besonders viele Gedanken um Mademoiselle Conti
gemacht, warum auch, aber eine Lehrstelle an der Sorbonne fand ich jetzt doch
irgendwie beeindruckend. Ich dachte an das angeregte Gespräch, das Aristide und
Mademoiselle Conti am Abend der Ausstellung miteinander geführt hatten – nein,
ich dachte lieber nicht daran!
    Â»Hat es Ihnen die Sprache
verschlagen?« Mademoiselle Conti schaute mich vergnügt von der Seite an. Die
Augen hinter der dunklen Brille funkelten. Sie kam mir ausgelassener vor als
sonst, vielleicht versetzte die Aussicht auf ihre neue Stelle sie in
Hochstimmung. Allmählich hatten offenbar alle einen Grund, sich auf irgend
etwas zu freuen.
    Â»Nein, nein«, sagte ich und lächelte auch. »Das ist doch wunderbar.
Ich bin nur etwas überrascht … Sie werden mir fehlen.«
    Ich sah sie an und merkte, daß es stimmte. Es würde irgendwie
seltsam sein, wenn
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