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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt
Autoren: Nicolas Barreau
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vergeblich.
    Das Merkwürdigste aber war der Geruch, der in der Buchhandlung
herrschte: Es roch nach Süden.
    Ich strich an den Bücherregalen entlang, zog ein kleines Buch heraus – der Reisebericht irgendeines Engländers aus dem neunzehnten Jahrhundert, der
seine Nilfahrt beschrieb –, ich blätterte angelegentlich darin herum und hielt
verstohlen Ausschau.
    Es waren nicht sehr viele
Menschen hier, und eine Principessa hatte ich noch nicht entdeckt. Ich wartete
und blickte immer wieder auf die Uhr. Doch trotz meiner Unruhe konnte ich mich
dem friedlichen Zauber, der hier herrschte, nicht ganz entziehen. Die
Buchhändlerin, eine ältere Frau mit hochgestecktem grauem Haar, die hinter dem
alten Kassentisch stand und einen Studenten in Jeans und Pulli bediente,
lächelte mir freundlich zu. Lassen Sie sich ruhig Zeit, schien ihr Blick zu
sagen.
    Ich schlenderte weiter in den hinteren Teil der Buchhandlung.
    Ein Wintergarten öffnete sich meinen erstaunten Blicken. In der
einen Ecke stand ein alter Waggon mit dunkelroten Samtbänken, auf denen eine
junge Frau mit rötlichem Haar saß und las. Neben ihr lehnte ein kleines Mädchen
mit einer riesigen weißen Schleife im lose fallenden Haar, und die beiden, die
wohl Mutter und Tochter waren, hätten ein hübsches Motiv für einen Renoir
abgegeben. Aber kennen tat ich sie beide nicht.
    In der anderen Ecke des Wintergartens stand ein großes weißes Sofa
mit vielen Kissen, über dem sich ein Moskitonetz aus hellem Leinenstoff
ausbreitete, daneben ragte eine schlanke Palme auf – man hatte fast den
Eindruck, das Sofa stünde in einer Art Wüstenzelt. Doch es war nicht Lawrence
of Arabia, der dort in einem Buch blätterte, sondern Luisa Conti.
    Sie blickte mich fragend an, und ich zuckte unmerklich mit den
Achseln. Dann machte ich meine nächste Runde durch das »Au bout du monde«. Als
die kleine Türglocke klingelte, sah ich aufgeregt zu Tür. Doch es war nur der
Student, der mit einem Stapel Bücher unter dem Arm auf die Straße trat.
    Â»Wenn ich Ihnen helfen kann, sagen Sie mir bitte Bescheid«,
sagte die freundliche Buchhändlerin um Viertel vor sieben zu mir. Sicherlich
war es etwas seltsam, wie ich mit hilfloser Miene immer wieder an den Regalen
vorbeistrich. Ab und zu ging ich zu dem weißen Sofa und wechselte ein paar
Worte mit Luisa Conti, die auf meine nervöse Bitte hin noch geblieben war.
    Als
schließlich die rothaarige Mutter mit ihrem Renoir-Kind an die Kasse trat und
zahlte und nur noch ein älterer Herr mit Spazierstock vor einem der Regale
stand, setzte ich mich zu Luisa Conti auf das weiße Sofa und heuchelte
Interesse an ihrem Buch über legendäre Eisenbahnreisen, geschrieben von dem
sympathischen Patrick Poivre d’Arvor, den ich aus dem Fernsehen kannte.
    Es war ein Buch, das mich in jedem anderen Moment meines Lebens
sicherlich in grenzenloses Entzücken gestürzt hätte mit seinen schönen Bildern
und alten Zeichnungen.
    So aber saß ich neben Luisa Conti, die mich ab und zu mit großen
Augen ansah, wippte nervös mit meinem Fuß und spürte beinahe körperlich, wie
Minute um Minute verstrich.
    Mein Herz wurde schwer.
    Dann rief auch noch der alte Herr sein fröhliches » Au revoir «, die Türglocke läutete ein letztes Mal, es war
sieben Uhr, und die Principessa war nicht gekommen.
    Ich schluckte. »Tja«, sagte ich und sah Luisa Conti mit waidwundem
Blick an. »Das war’s dann wohl.« Ich versuchte zu lächeln, aber es mißlang so
grandios, daß Mademoiselle Conti meine Hand ergriff.
    Â»Ach, Jean-Luc!« sagte sie nur, und ihre Finger strichen über meinen
Handrücken.
    Ich blickte nach unten und betrachtete diese kleine weiße Hand, die
mich trösten wollte. Eine zarte Tintenspur lief über den rechten Mittelfinger
und rührte mich fast zu Tränen.
    Â»Vielleicht kommt sie ja doch noch«, sagte Luisa Conti leise.
    Ich preßte die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Dann setzte
ich mich auf und versuchte meinen Schmerz abzuschütteln.
    Â»Tja«, sagte ich noch einmal und warf Mademoiselle Conti einen
unglücklichen Blick zu. »Haben Sie schon etwas vor, heute abend?«
    Ein Abend mit Mademoiselle Conti war immerhin das zweitbeste, was
mir passieren konnte.
    Luisa Conti schien zu zögern.
    Â»Eigentlich bin ich verabredet«, sagte sie dann, und ihr Gesicht
nahm
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