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«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

«Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)

Titel: «Sire, ich eile …»: Voltaire bei Friedrich II. Eine Novelle (German Edition)
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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2.
    Émilies Ehemann, der Marquis du Châtelet-Lomont, Comte de Lomont und Seigneur de Cirey, war schon mit dreißig Generalmajor. Später, 1744, Generalleutnant; höher konnte er nicht steigen.
    Er war der Besitzer ererbter Güter und eines Palastes in Paris, des Hôtel du Châtelet. Ein schwergewichtiger Mann, der Émilie um Haupteslänge überragte. Seine Lieblingsbeschäftigung war die Jagd. Er liebte auserlesene Speisen und Weine.
    Der Marquis redete gerne vom Krieg, Émilie von Philosophie.
    Im September 1725 wurde Émilie zum ersten Mal schwanger. Im Juni 1726 gebar sie ihre Tochter Françoise-Gabrielle Pauline, die sogleich in die Hände einer Kinderfrau kam.
    Émilie sah ihre Tochter jeden Tag, aber immer nur kurz.
     
    Bald nach der Geburt Françoise-Gabrielle Paulines wurde Émilie wieder gesellig. Ihr Ehemann war zu seinen Truppen zurückgekehrt.
    Es dauerte nicht lange, bis Émilie erfuhr, daß ihr Ehemann sich eine junge Geliebte zugelegt hatte, eine Schönheit aus dem Elsaß. Er gab zu verstehen, daß Émilie das Recht habe, sich einen Liebhaber zu nehmen.
    Sie entschied sich für den Marquis Robert de Guébriant, einen Neffen des Maréchal de Maillebois. Zwar sah der gut aus, aber er war eitel, wenig gebildet, langweilig.
    Émilie entließ ihn bald und wählte den Comte Pierre de Vincennes, der kleiner war als sie und dick. Aber er galt als Kenner der Metaphysik, und das zog sie an.
    Zu Anfang des Jahres 1727 nahm auch die Geschichte mit Vincennes ein Ende.
    Émilies Ehemann kam von seinen Truppen in die Stadt zurück, schwängerte Émilie zum zweiten Mal, und heraus kam im November 1727 Louis-Marie Florent.
     
    Im Hôtel du Châtelet stellte sich zuweilen der Herzog von Richelieu zum Diner ein, Louis François Armand du Plessis. Er war der Großneffe des Kardinals Richelieu, des Ersten Ministers unter König Ludwig   XIII. Richelieus Frau war im Sommer 1729 gestorben. Ein Jahr lang trauerte er um die Herzogin und hielt sich vom Versailler Hof fern. Aber er ging zu Diners bei Freunden.
    Zu seinen Freunden gehörten die Châtelets.
    Émilie kannte ihn schon lange; ihre Mutter war eine Verwandte der Herzogin von Richelieu. Richelieu schätzte nicht nur Émilies Schönheit, er war eingenommen von ihrer Intelligenz.
     
    Im November 1728 war Voltaire von England nach Frankreich zurückgekehrt, zuerst nach Saint-Germain-en-Laye und im April 1729 nach Paris.
    Seit seiner Schulzeit im Lycée Louis-le-Grand war Voltaire mit dem Herzog von Richelieu befreundet. Sie besuchten einander, und Richelieu erzählte Voltaire von den Gesprächen mit Émilie.
    Voltaire interessierte sich kaum für Émilie; er glaubte noch nicht an die Existenz intellektueller Frauen.
     
    Im Herbst 1730 wurde Émilie die Geliebte Richelieus. Seine literarischen und philosophischen Interessen begegneten ihrer Belesenheit auf philosophischem und metaphysischem Feld. Sie beschäftigte sich mit Mathematik und Physik. Und sie übte sich in der Übersetzung lateinischer Verse.
    Nach ihrer Trennung blieben Richelieu und Émilie Freunde bis zu Émilies Tod.

3.
    Im Sommer 1733, als Voltaire und Émilie zueinander fanden, war Voltaire neununddreißig Jahre alt, Émilie sechsundzwanzig.
    Voltaire war verliebt wie ein Schuljunge.
    Émilie schrieb an den Herzog von Richelieu, für sie sei Voltaire der Inbegriff des idealen Mannes.
    Beiden machte es das größte Vergnügen, Konventionen zu mißachten und Paris zu schockieren.
    Sie gingen in die Oper, obwohl es für einen Mann von Stand tabu war, sich mit seiner Mätresse in der Oper zu zeigen.
    Sie fuhren nach Versailles und betraten den Audienzsaal, obwohl es sich für einen Mann und seine Mätresse von selbst verstand, nicht gemeinsam vor den König zu treten.
    Voltaire schlief bei Émilie im Hôtel du Châtelet, oder Émilie schlief bei Voltaire in der Rue de Longpont.
     
    Hätte der Marquis du Châtelet nicht eingreifen müssen?
    Bei der Hochzeit des Herzogs von Richelieu mit der Herzogin Sophie von Guise im lothringischen Montjeu lernten Émilies Ehemann und Voltaire einander kennen.
    Der Marquis war mit seiner Mätresse, Mademoiselle d’Anjou, nach Montjeu gekommen. Er fand Voltaire sympathisch, und Voltaire fand den Marquis sympathisch.
    Émilie hatte nichts einzuwenden gegen die Mätresse ihres Mannes; er tolerierte Émilies Liebhaber.
     
    1733 hatte Voltaire Le temple du goût veröffentlicht. Die Schrift trug ihm die Feindschaft vieler Schriftsteller und Künstler ein, die er einer
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