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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt
Autoren: Nicolas Barreau
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sie Charlotte hieß, zog ihre schön geschwungenen Augenbrauen hoch,
und ich winkte ab.
    Â»Um hundertfünfzig Ecken, alles halb so wild.«
    Aber was ich auch sagte, Charlottes Interesse an meiner Person
war geweckt, sie wich mir den ganzen Abend nicht mehr von der Seite und
erzählte mir nach dem vierten Glas Champagner, daß sie die Gattin eines Politikers
sei und sich zu Tode langweile.
    Als kurz nach elf die letzten Gäste gingen, waren wir nur noch
zu viert: Bittner, Julien, ich – und die schon ziemlich angeschickerte
Charlotte.
    Â»Und
was machen wir jetzt?« krähte sie begeistert.
    Bittner schlug vor, in der kleinen ruhigen Bar des Duc de
Saint-Simon noch einen Schlummertrunk zu nehmen. Das hatte den Vorteil, daß er
danach gleich auf sein Zimmer konnte.
    Ich ließ ihm den vorderen Sitz im Taxi und quetschte mich hinten
neben Julien und Charlotte. Während wir den nächtlichen Boulevard Saint-Germain
hinaufbrausten, spürte ich plötzlich eine zarte Berührung. Es war Charlottes
Hand, die an meinen Beinen entlangstrich. Eigentlich wollte ich nichts von ihr,
dennoch verwirrten mich ihre tastenden Finger.
    Ich blickte zu Julien hinüber. Doch dieser, euphorisiert vom
Zuspruch, den er an diesem Abend bekommen hatte, hatte sich nach vorne gebeugt
und unterhielt sich angeregt mit Bittner.
    Charlotte lächelte mir verschwörerisch zu. Vielleicht war es
ein Fehler, aber ich lächelte zurück.
    An der Rezeption des Saint-Simon begrüßte uns der Nachtportier,
ein elegant gekleideter, dunkelhäutiger Tamile.
    Wir
gingen nach unten in die kleine Bar, die sich in einem alten steinernen
Kellergewölbe befindet, und hatten Glück: Der Barkeeper war noch da und
trocknete gerade die letzten Gläser ab. Als er uns sah, nickte er höflich, und
wir nahmen ermutigt in dem menschenleeren Gemäuer Platz. An den Wänden hingen
alte Gemälde und goldgerahmte Spiegel, halbhohe Regale mit Büchern standen
neben den gemütlichen stoffbezogenen Fauteuils, und wie immer, wenn ich hier
war, konnte ich mich dem altmodischen Charme dieses kleinen Verstecks im großen
Paris nicht entziehen.
    Wir bestellten noch einen Coup de Champagne und rauchten Zigarillos,
weil wir die einzigen Gäste waren und fanden, daß wir uns das jetzt verdient
hatten (der Kellner übersah es geflissentlich und stellte uns im Vorbeigehen
beiläufig einen Aschenbecher auf das Tischchen), wir blödelten rum, und Julien
gab wilde Geschichten aus seiner Graffiti-Zeit zum besten. Bittner lachte am
lautesten. Seine Abneigung gegen den Monumentalisten schien sich inzwischen
gelegt zu haben.
    Es war kurz vor eins, als der Barkeeper verhalten fragte, ob wir
noch etwas trinken wollten. »Aber ja!« rief Charlotte, die neben mir saß und
unternehmungslustig mit ihrem schwarzen Lackschuh wippte. »Nehmen wir noch
einen Abschiedstrunk, bitte!«
    Julien stimmte begeistert zu, er hätte auch die ganze Nacht
durchgemacht, Bittner war in der letzten halben Stunde etwas erlahmt und gähnte
jetzt hinter vorgehaltener Hand, und ich muß gestehen, daß auch ich allmählich
müde wurde. Dennoch orderte ich eine letzte Runde. »Ihr Wunsch ist mir Befehl,
Madame.« Ein Nein hätte Charlotte sowieso nicht akzeptiert.
    Noch einmal stießen wir an auf den schönen Abend, das Leben und die
Liebe, und dann kippte Charlotte ihr Champagnerglas um, geradewegs auf Bittners
Hose. » Ah, Madame, c’est pas grave «, sagte Monsieur
Charles weltmännisch und wischte über seine nasse Hose, als sei nur eine Fluse
zu vertreiben. Ein paar Minuten später empfahl er sich allerdings, dankbar, in
sein altmodisches französisches Bett sinken zu können.
    Â»Wir sehen uns! Bonne nuit! « Er nickte in
die Runde, und ich nutzte das Zeichen zum Aufbruch und bestellte die Taxen.
    Als das erste Taxi kam, wollte Charlotte Julien unbedingt den
Vortritt lassen, und ich ahnte, daß sie dies nicht ohne Grund tat. Und richtig,
als ich Madame in das zweite Taxi setzen wollte, bestand sie eigensinnig
darauf, daß wir zusammen fahren sollten, sie könne mich doch in der Rue des
Canettes absetzen (dort wohne ich), und überhaupt, sie wolle noch nicht nach
Hause.
    Â»Aber, Madame«, protestierte ich halbherzig, als sie sich mit
weiblicher Entschlossenheit bei mir unterhakte und mich in den Fond des Wagens
zog. »Es ist schon spät, Ihr Mann wird sich Sorgen
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