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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt
Autoren: Nicolas Barreau
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machen …«
    Madame kicherte nur und ließ sich in den Sitz zurücksinken. » Rue des Canettes, s’il-vous plaît «,
rief sie dem Fahrer zu und sah mich schelmisch an. »Ach … mein Mann … das
lassen Sie mal meine Sorge sein. Oder werden Sie erwartet?«
    Ich schüttelte stumm den Kopf. Seit ich mich von Coralie getrennt
hatte (oder hatte sie sich von mir getrennt?), wartete in meiner Wohnung nur
Cézanne, was durchaus auch seine Vorteile hatte.
    Wir fuhren die stille Rue de Saint-Simon entlang, an der Ferme
Saint-Simon vorbei, wo man gut und teuer essen kann, und bogen gerade auf den
noch recht belebten Boulevard Saint-Germain ein, als ich wieder Charlottes Hand
an meinen Beinen spürte. Sie kniff mich zärtlich und flüsterte mir ins Ohr, daß
ihr Gatte auf einer Tagung sei, die Kinder schon groß, und was das Leben denn wäre,
wenn man sich nicht ab und zu ein kleines Bonbon gönnte. Un
tout petit bonbon!
    Benebelt vom Alkohol schwante mir, daß ich dieses Bonbon sein sollte
und daß die Nacht noch lange nicht zu Ende war.

3
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte,
hatte ich das Gefühl, ein Hammer wäre mir auf den Kopf gefallen.
    Es ist immer dieses eine Glas zuviel, das man
später bereut.
    Stöhnend drehte ich mich zur Seite und tastete
nach dem Wecker. Es war Viertel nach zehn, und das war schlecht, sehr schlecht
sogar. In einer Stunde würde Monsieur Tang, mein kunstbegeisterter Chinese, an
der Gare du Nord ankommen, und ich hatte versprochen, ihn vom Zug abzuholen.
    Das war mein erster Gedanke. Mein zweiter Gedanke
war Charlotte. Ich drehte mich um und blickte auf ein zerwühltes Laken, auf dem
keine Frau lag. Überrascht setzte ich mich auf.
    Charlotte war weg, ihre Kleider, die sie gestern
nacht laut singend in meiner Wohnung verstreut hatte, waren verschwunden.
    Seufzend
ließ ich mich für einen Moment ins Kissen zurücksinken und schloß die Augen. Mon Dieu , und was für
eine Nacht! Selten hatte ich eine Nacht mit einer Frau verbracht, in der ich so
wenig geschlafen hatte und in der so wenig passiert war.
    Ich
wankte in die Küche, wo mich Cézanne mit freudiger Ungeduld begrüßte, füllte
ein großes Glas mit Wasser und durchsuchte den Vorratsschrank nach Aspirin.
»Ist ja gut, mein Alter, wir gehen gleich Gassi«, versprach ich. Cézanne bellte
und wedelte mit dem Schwanz. »Gassi« war das einzige Wort, auf das er immer
reagierte. Dann schnüffelte er an meinen nackten Beinen und legte den Kopf
schief.
    Â»Tja,
die Dame ist schon weg«, sagte ich und ließ drei Aspirin in das Glas fallen. In
Anbetracht meiner Verfassung und der wenigen Zeit, die mir noch blieb, war ich
nicht ganz unfroh darüber.
    Als ich ins Bad ging, sah ich als erstes den Zettel, der am
Spiegel klemmte.
    Mein lieber Jean-Duc,
    läßt du die Frauen immer so lange warten, bis sie einschlafen?
    Ich hab noch einen bei dir gut, vergiß das nicht!
    A tout bientôt …
    Charlotte
    Darunter hatte sie einen kleinen Lippenstiftkuß gesetzt.
    Ich
grinste, nahm den Zettel herunter und warf ihn in den Papierkorb. In der Tat
zählte die letzte Nacht nicht gerade zu den erotischen Höhepunkten meines
Lebens.
    Während ich mich rasierte, mußte
ich daran denken, wie die betrunkene Charlotte hinter mir in die Wohnung
gestolpert war und erst einmal über Cézanne stürzte, der ihr bellend zwischen
die Füße lief. Ich wollte ihr gerade aufhelfen, da zog sie mit einem Ruck an
meinem Hosenbein, und ich landete neben ihr auf dem Teppich.
    Â»Aber Monsieur Champollion, nicht so stürmisch!« Sie lachte, und ihr
Gesicht war plötzlich verwirrend nah. Charlotte schlang die Arme um meinen Hals
und drückte mir einen heißen Kuß auf den Mund. Ihre Lippen öffneten sich, und
ich fand die Idee mit dem Bonbon plötzlich ziemlich verlockend und griff in ihr
volles, dunkles Haar, das nach Samsara duftete. Lachend und schwankend
schafften wir es bis ins Schlafzimmer. Das crèmefarbene Kostüm blieb bereits im
Flur zurück.
    Ich knipste die kleine Lampe auf dem Vertiko an, die den Raum in ein
sanftes gelbliches Licht tauchte, und drehte mich zu Charlotte. Sie schwenkte
herausfordernd ihre Hüften und sang » Voulez-vouz coucher
avec moi … ce soiiiir «. Dann warf sie
übermütig ihre Seidenstrümpfe durch die Luft. Einer schwebte zu Boden, der
andere blieb an einem
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