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Du findest mich am Ende der Welt

Du findest mich am Ende der Welt

Titel: Du findest mich am Ende der Welt
Autoren: Nicolas Barreau
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heruntergekommenen Atelier im
Bastille-Viertel. Ich sah mir seine Arbeiten an, fand sie recht bemerkenswert,
und am Ende nahm ich das »Erdbeerherz« mit und hängte es versuchsweise in
meiner Galerie auf.
    Zwei
Wochen später stand Jane Hirstman, eine amerikanische Sammlerin, die zu meinen
besten Kunden zählt, davor und stieß laute Begeisterungsschreie aus. » It’s amazing, darling! Just amazing! «
    Sie schüttelte ihre feuerroten Locken, die in alle Richtungen
abstanden, was ihr eine äußerst dramatische Note verlieh, trat einen Schritt
zurück und musterte das Bild einige Minuten mit zusammengekniffenen Augen. »Das
ist die Verteidigung der Leidenschaft in der Kunst«, sagte sie dann, und ihre
großen goldenen Creolen erzitterten bei jedem Wort. » Wow! I love it, it’s great! «
    Nun, groß war das Bild wirklich. Ich wußte mittlerweile, daß Jane
Hirstman ein Fan großformatiger Bilder war, eine spezielle Macke von ihr, aber
das allein war auch für sie, die im Laufe der letzten Jahre immerhin einige
nicht ganz unbedeutende Gemälde aus der Wallace-Foundation erworben hatte, kein
Kriterium.
    Sie wandte sich zu mir um. »Wer ist dieser KBF?« fragte sie mit
lauerndem Blick. »Hab ich was verpaßt? Gibt es noch mehr zu sehen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Fast
alle Sammler, die ich kenne, haben einen Zug ins Manische, wenn es darum geht,
etwas Neues als erster zu entdecken. »Ich würde Ihnen doch nie etwas
vorenthalten, meine liebe Jane! Das hier ist ein junger Pariser Künstler,
Julien d’Ovideo. Ich vertrete ihn erst seit kurzem«, erklärte ich und beschloß,
mit Julien umgehend einen Vertrag aufzusetzen. »KBF steht für seine Auffassung
von Kunst: Kunst braucht Fläche.«
    Â»Aaaah«, gurrte sie. » Kunst braucht Fläche. Das ist gut, das ist sehr gut.« Sie nickte anerkennend. »Kunst braucht Fläche,
und Gefühle brauchen Raum, so ist das! Julien d’O… wie? Na, egal … mit dem
müssen Sie was machen , Jean-Luc. Machen Sie was mit
ihm, sag ich, der Typ wird heiß! Meine Nase
kribbelt!«
    Wenn Jane Hirstman ihre Nase, die im übrigen recht groß war, ins
Spiel brachte, mußte man das ernst nehmen. Sie hatte schon so manches Bild
erschnüffelt, das später richtig teuer gehandelt wurde.
    Â» How much? « fragte
sie, und ich nannte einen völlig überzogenen Preis.
    Jane kaufte das »Erdbeerherz« noch am selben Tag und legte
dafür eine beachtliche Summe in Dollar auf den Tisch.
    Julien
war außer sich vor Glück, als ich ihm die Neuigkeit persönlich überbrachte. Er
umarmte mich spontan mit seinen farbverschmierten Händen, deren Abdrücke nun
für alle Zeiten auf meinem schönen hellblauen Kaschmirpullover verewigt sein
werden. Aber wer weiß, vielleicht wird dieser profane Pullover, der leider mein
Lieblingspullover war, eines Tages unglaublich wertvoll sein – als eine Art ready-made , das den glücklichsten Moment im Leben
eines Künstlers dokumentiert. In Zeiten, in denen alles Kunst sein kann und
selbst die in Dosen abgefüllten Exkremente italienischer Künstler als »merda di
artista« in Mailand bei Sotheby’s für unglaubliche Summen versteigert werden,
halte ich das nicht für ausgeschlossen.
    An diesem glücklichen Januarabend jedenfalls tranken Julien und ich
einige Gläser zusammen in seinem ungeheizten Atelier, ein paar Stunden später
duzten wir uns und zogen noch in eine Bar weiter.
    Am nächsten Tag kam der hoffnungsvolle Jungkünstler mit einem
ziemlichen Kater in die Galerie du Sud, und wir planten die Ausstellung »Kunst
braucht Fläche«, die in nunmehr weniger als einer Viertelstunde eröffnet werden
sollte.
    Wo blieb Marion? Seit sie diesen motorradfahrenden Freund hatte, war
auch kein Verlaß mehr auf sie. Marion hatte Kunst studiert und machte nun ein
Praktikum in meiner Galerie. Und sie war wirklich gut, sonst hätte ich manchmal
schon gute Lust gehabt, sie rauszuwerfen.
    Marion organisierte kaugummikauend die kompliziertesten Abläufe und
wickelte alle Kunden um den Finger. Auch ich konnte mich ihrem lässigen Charme
nicht entziehen.
    Draußen ertönte lautes Geknatter. Einen Augenblick später wurde die
Tür aufgerissen, und Marion stöckelte in einem unverschämt kurzen schwarzen
Samtkleidchen zur Tür herein.
    Â»Da bin ich«, erklärte sie
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