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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell
Autoren: Zoran Drvenkar
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Dann muß ich auch schon weiter. Und kümmern Sie sich um Ihre Hände, das sieht nicht gesund aus.
    Ich nicke und warte, daß er den Schneeschieber wendet, erst dann steige ich aus und laufe zum Haus. Irgendwo da drin hegen meine Schuhe und mein Mantel mit den Autoschlüsseln.
    Ich beuge mich vor und schaue in den Tunnel hinein. Er ist zum größten Teil in sich zusammengebrochen, nein, noch einmal will ich da nicht durch.
    Ich wische eines der Fenster frei. Die Küche ist leer und verlassen. Auf dem Tisch stehen zwei Becher und eine Teekanne, eine Zeitschrift ist daneben aufgeschlagen. Ich wische das nächste Fenster frei. Theo liegt auf dem Sofa und schläft, von Yal sehe ich keine Spur. Der Kamin ist dunkel, das eine Fenster auf der gegenüberliegenden Wandseite steht offen. Es könnte eine Falle sein, aber irgendwie interessieren mich Fallen im Moment wenig — ich habe keine Schuhe und nur zwei Paar Socken an den Füßen und stehe in kniehohem Schnee.
    Ich umrunde das Haus. Von dieser Seite aus kann ich Val sehen. Sie sitzt nackt auf einem der Sessel. Ihre Füße sind blutverschmiert, die Hände liegen gefaltet im Schoß. Für eine Sekunde zucke ich zurück, aber sie hat mich am offenen Fenster gesehen.
    —    Oh, bin ich froh, daß du kommst.
    Sie lächelt, ihr Gesicht ist klar und liebevoll, dann schaut sie zur Seite, zischt ein paar Worte und ihre Mimik flippt aus, als hätte sie einen Anfall. Val schaut ernst, dann wütend, dann lächelt sie und sieht mich wieder an.
    -    Bin ich zu schnell? fragt sie.
    Sie ist viel zu schnell, die Hände flattern auf und nieder, die Füße scharren über den Boden, dann ist sie wieder still und ich sage:
    -    Nein, kein bißchen,
    —    Dann komm und befrei mich.
    Sie hält ihre Hände hoch, die Handgelenke aneinander gedrückt, als wäre sie gefesselt.
    Ich steige durchs Fenster.
    Der Boden ist ein Chaos von Dreck und Blut. Die Wände sind zerkratzt, das Polster quillt aus dem Sofarand, tiefe Risse ziehen sich über den Couchtisch, dunkle Fuß- und Handabdrücke auf den Dielen.
    —    Du weißt nicht, wie froh ich bin, daß du endlich da bist, sagt Val, Du kannst es dir nicht vorstellen. Es wird immer leichter, weißt du? Vielleicht ist es Übung. Ich kann mich konzentrieren und es bremsen. Ganz leicht. So wie jetzt. Mal bin ich da, und mal bin ich weg. Aber ich gebe mir Mühe, versprochen. Du sollst dich ja nicht erschrecken.
    Sie lächelt wieder merkwürdig. Aus der Nähe erkenne ich, wie sehr sie damit kämpft, ihr Gesicht zu entspannen. Das Lächeln ist eine Summe von verkrampften Muskeln. Die Mundwinkel zucken, das eine Augenlid spielt verrückt, etwas Speichel läuft ihr aus dem Mund. Hat Jenni sie so gesehen? Hat sie Panik bekommen? War das der Grund?
    -    Sie hätten das nicht tun sollen, sagt Val und streckt mir
    Hände und Füße entgegen, Es gab keinen Grund, mich zu fesseln. Wie hätte ich Theo schon helfen können? Auf mich hört ja keiner. Was sollte ich machen?
    Ich sehe mich um. Ich weiß, es ist unsinnig, es gibt keine Schnellen, dennoch sehe ich mich um. Unsicher und verängstigt.
    -    Keine Angst, sagt Val, Sie sind verschwunden und kommen nicht wieder. Bis es nötig ist. So war es, so wird es immer sein. Weil es sie immer gab, weil es sie immer geben wird. Sie dachten, ich weiß das nicht. Sie dachten, ich bringe mich um. Sie wollten das als Ende der Geschichte. Als ob ich das tun würde. Deswegen sitze ich hier. So schnell kann das gehen. Plötzlich sitze ich hier. Bitte, befrei mich, es tut so weh.
    Ich sehe wieder auf ihre Handgelenke, die sie aneinander preßt.
    -Val, was ist passiert?
    Es ist wie ein Schlag. Sie zuckt zurück, drückt sich die Hände zwischen die Brüste, zieht die Beine hoch, verschwindet in sich selbst. Es ist mir so vertraut. Ihre Augen werden dunkel, und als sie spricht, kann ich hören, daß ich sie verliere. Ihre Stimme ist schwach und weit entfernt:
    -    Aber mir hat doch keiner was gesagt. Woher sollte ich denn wissen, daß Jenni schwanger war. So was muß man doch sagen, oder? Und jetzt liegt sie am Wasser, arme Jenni. Wenn Theo das gewußt hätte, hätte er sie nie gehen lassen. Alle verschwinden. Auch Asta ist einfach verschwunden. Sie haben ihn geholt. Er hat sein Bestes gegeben, genau das hat er. Meinst du nicht? Was meinst du?
    Sie beugt sich vor, hält mir die Hände wieder entgegen.
    -    Ich tue alles, wenn du mich befreist. Ich verrate dich auch nicht.
    Ich merke jetzt erst, daß
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