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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell
Autoren: Zoran Drvenkar
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eingravierten Runen sollte mich vor Einsamkeit, Hunger und dem Bösen schützen. Vor allen Dingen aber sollte es mich zu der Frau führen, die für mich bestimmt war.
    Ich habe das Val nie erzählt, sie muß aber die Bedeutung desTalismans erahnt haben. Oft hielt sie das Medaillon in der Hand, wenn ich aus der Dusche kam. Ihre Finger zogen die Gravur nach, als könnte sie die Runen lesen.
    Nachdem wir uns ein Jahr kannten, verschwand der Talisman. Ich krempelte die Wohnung um, verschob die Möbel und lief den Weg zum Auto viermal ab. Als ich am selben Abend mit Val im Bett lag, sagte ich frustriert:
    -    Ich hätte nie gedacht, daß ich meinen Talisman verliere.
    -    So wichtig? fragte Val.
    -    Meine Eltern brachten ihn mir von einer Irlandreise mit. Er soll mich vor dem Bösen beschützen.
    -    Ich werde dich beschützen, sagte Val.
    Ich beugte mich zu ihr und küßte sie. Noch war nichts geschehen.
    -Vielleicht habe ich ihn ja irgendwo in deiner Wohnung vergessen, sagte ich, Könntest du mal schauen?
    Val schüttelte den Kopf.
    -    Nicht nötig, sagte sie.
    Wir sahen uns an. Val verschob die Bettdecke, so daß ihr Bauch freilag.
    -    Hier, leg mal deinen Kopf darauf.
    Ich legte meinen Kopf auf ihren Bauch. Mir war mulmig zumute. Konnte sie schwanger sein?
    -    Hörst du ihn? fragte Val.
    -    Hör ich wen? fragte ich zurück.
    Val lachte, ihr Bauch gluckste.
    -    Deinen Talisman, sagte sie.
    Ich richtete mich wieder auf und sah sie an. Für einen Moment war ich mir sicher, daß sie ihn verschluckt hatte. Sie hatte sich meinen verdammten Talisman genommen und ihn verschluckt! Dann lachte Val. Symbolik, dachte ich, es ist symbolisch gemeint. Sie hat einen Witz gemacht, das ist alles.
    -    Ich bin dein neuer Talisman, sagte Val, Los, küß mich.
    Ich küßte sie und spürte ihre Zähne an meiner Unterlippe.

    Im Restaurant friert Val, obwohl ich ihr meinen Mantel um die Schultern gelegt habe und einige Leute nur im T-Shirt dasitzen. Wir sehen aus wie der Entführer und die Entführte. Mir ist Vals Zerbrechlichkeit zum ersten Mal peinlich. Wir essen schweigend und sehen kaum von unseren Tellern auf. Erst als Val an ihrem Kakao nippt, sagt sie:
    —    Den haben sie mit Wasser gemacht.
    —    Zeig mal.
    Ich koste von ihrem Becher, verziehe das Gesicht.
    —    Gut, daß ich keinen bestellt habe.
    —    Kannst meinen haben, sagt sie.
    —    Deins ist deins, sage ich.
    —    Und meins ist meins, setzt sie das Spiel fort.
    Ich möchte heulen, als ich das höre.
    —    Und unsers, sage ich.
    —    Ist unsers, sagt sie und nimmt mir den Becher wieder weg.

    Es war diese eine Nacht, in der ich Herzrasen bekam, die unsere Beziehung beinahe beendet hätte. Man kann mich nicht aus dem Schlaf reißen, anschreien und fragen, wer zum Teufel ich bin. Mir macht das eine Heidenangst. Wenn man glaubt, einen Menschen auch nur ansatzweise zu kennen, dann kann solch ein Moment einen aus der Bahn werfen. Als Val losschrie, hob ich meine Arme zum Schutz. Ein Schlag traf mich an der Schulter, ein anderer ging an meinem Ohr vorbei. Es gelang mir, Val an den Handgelenken zu packen. Ihr Knie traf meinen Oberschenkel, sie hatte auf meine Hoden gezielt. Dann schrie sie plötzlich, hoch und schrill. Sie schrie, sie würde sich das nicht gefallen lassen. Nicht in ihrem Bett, nicht in ihrer Wohnung.
    Mir fiel dazu nichts ein, wir waren bei mir.
    Val sprang auf und rannte aus dem Schlafzimmer. Ich war so perplex, daß ich einfach sitzen blieb und ihr hinterhersah.
    Ich hörte Geräusche aus der Küche, Schubladen wurden aufgezogen, Besteck klimperte. Ja, ich sah es direkt vor mir -jeden Moment würde sie hereinkommen, um mit einem Tranchiermesser auf mich einzustechen. Ohne lange zu überlegen, stand ich auf und ging zu meinen Sachen. Val und ich schliefen immer nackt, ihre Kleidung lag auf dem Stuhl über meiner. Ich warf sie hinunter und war innerhalb von Sekunden angezogen.
    Val kam nicht aus der Küche.
    Ich stand mit dem Rücken zum Fenster und wartete.
    Val kam nicht.
    Ich fand sie am Küchentisch. Sie hatte einen Becher vor sich stehen. Der Instantkaffee hatte sich in dem kalten Wasser nicht aufgelöst und schwamm in schwarzen Klumpen auf der Oberfläche.
    -Wieso hast du dir meinen Pulli um den Arm gewickelt? fragte mich Val und gähnte.
    Ich sah auf meinen Arm, schüttelte den Pullover ab und wischte über mein Gesicht, als wäre ich verwirrt.
    -    Konntest du nicht
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