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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell
Autoren: Zoran Drvenkar
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magische Getränk der Azteken. Dazu rauchten wir einen Joint nach dem anderen und hofften, ins Guinness-Buch der Rekorde zu kommen. Wir dachten uns, wer sich drei Wochen lang jeden Tag alle zwei Stunden einen dreht, der muß rekordverdächtig sein.
    Bernie stieg am fünften Tag aus. Er verschwand im Morgengrauen und ließ seine Klamotten und den Wagen zurück. Einen himmelblauen Datsun mit einem roten Stern auf der Motorhaube. Wir hörten nie wieder was von Bernie. Mich haute es zwei Tage später um. Zwischen Rumhängen, Musik und trägem Sex warf ich immer wieder Aufputschmittel ein, da ich keine Minute versäumen wollte. Darum ging es doch — nichts zu versäumen, auf keinen Fall, keine Sekunde. Schlaf war was für Tote.
    Jenni und Mirko waren dabei, Asta und Gerd, Didi natürlich auch. Und dann noch Fabienne, die aus Frankreich kam und kein Wort Deutsch verstand. Wir hingen bei Julian herum. Seine Eltern tourten für einen Monat durch die Karibik, während wir ihre Bar leerten und ihnen alles wegfraßen, was sie in der Kühltruhe hatten.
    Ich war neunzehn, die Schule lag seit einem Jahr hinter mir, und das Studium interessierte mich kein Stück. Ich fühlte mich lebendig wie nie zuvor und war froh, kein Mann zu sein. Der Gedanke, daß mich die Bundeswehr einsackte oder ich irgendeinen Zivildienst absolvieren mußte -das wäre mein Ende gewesen. Ich war frei und wollte niemandem etwas von meiner Freiheit schenken. Zwar lebte ich offiziell noch zu Hause, doch dort interessierte es niemanden, wo ich mich herumtrieb. Mit meinen Eltern lief es noch nie gut, und ich sah keinen Grund, diesen Zustand nach fast zwanzig Jahren zu verändern. Für sie war wichtig, daß ich mich regelmäßig meldete. Während für mich nur zählte, der Polizei nicht in die Finger zu geraten und zweimal in der Woche in Astas CD-Laden zu jobben, um ein wenig Geld reinzuholen. Damit hielt ich mich über Wasser. Ich wollte das ein paar Jahre lang durchziehen, und dann würde schon was Neues passieren. Es passiert ja immer was Neues.
    Der achte Tag warf mich aus der Bahn.
    Wir hatten beschlossen, nach Hamburg zu fahren und nahmen Bernies Wagen. Asta saß am Steuer, ich lungerte mit Mirko, Jenni und Gerd hinten herum, während Didi vorne saß und Fabienne auf dem Schoß hatte. Die Musik dröhnte, der Wind fetzte durch den Wagen. Es war Sommer, die Welt drehte sich von allein, und immer wieder griffen uns Mirko und Gerd an die Brüste, und wir wußten nie, welche Hand wem gehörte. Luscious Jackson hämmerte durch das Auto, Fabienne sang falsch mit, und Asta hupte, sobald er überholt wurde, weswegen wir alle paar Minuten in schrilles Lachen ausbrachen.
    In Hamburg verlor ich sie.
    Wir waren höchstens eine halbe Stunde in der Stadt, als ich auf die Idee kam, Pommes zu kaufen. »Wir warten hier«, sagte Mirko und zeigte auf eine Bushaltestelle. Als ich mit vier Portionen Pommes den Imbiß verließ, war die Truppe verschwunden. Es war völlig absurd. Ich wußte, daß ich nicht gerade fit war, ich hatte in den letzten Tagen vielleicht fünf Stunden geschlafen, dennoch war es absurd, meine Clique mitten in Hamburg zu verlieren.
    Zum Glück hatte ich beim Aussteigen instinktiv meinen Rucksack mitgenommen. Die anderen fanden das bestimmt nicht witzig. In dem Rucksack befand sich unser gesamter Reiseproviant - zwei feingefaltete Platten Dope.
    Ich lief einfach drauflos, hielt immer wieder an, um mir einen zu drehen, glaubte mehrere Male, den himmelblauen Datsun zu sehen, rauchte im Gehen, aß die Pommes, fluchte vor mich hin, drehte und rauchte und drehte, bis ich irgendwann in der Innenstadt stand und an einer Kirche hochsah. Die Pommes waren alle, das Innere meines Mundes pelzig. Die Kirchturmuhr zeigte halb neun. Ich wischte mir über die Augen. Die Zeit blieb dieselbe. Ich war doch ernsthaft sieben Stunden durch Hamburg gerannt und hatte eine Million Joints geraucht und meine Leute dennoch nicht gefunden.
    Jetzt erst kam ich auf die Idee, Jenni auf ihrem Handy anzurufen.
    Die Telefonzelle stand an einer Kreuzung und hatte kein Plexiglas in derTür. Ich mußte mir ein Ohr zuhalten, um das Klingelzeichen über dem Verkehrslärm zu hören. Es klappte nicht. Irgendwie wählte ich Jennis Nummer andauernd falsch oder bekam keine Verbindung. Also rief ich bei Julian zu Hause an und erzählte ihm, daß ich in Hamburg festhing und die anderen nicht finden konnte, und ob er Jennis Han-dynummer hätte. Julian antwortete, die anderen wären längst
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