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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell
Autoren: Zoran Drvenkar
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mir der Schweiß ausbricht.
    —    Sie ... sie sind doch Doris Sarstedt?
    —    Das ist richtig.
    —    Ich spreche von ihrer Tochter Valerie. Val, verstehen Sie?
    Die Frau schüttelt den Kopf, dann sagt sie betont langsam:
    —    Ich kann ihnen gerne meine zwei Kinder vorstellen, aber sie schlafen beide, deswegen müssen Sie mir einfach glauben, daß es unter ihnen keine einzige Val oder Valerie gibt. Sie haben an der falschenTür geklingelt.
    Sie lächelt entschuldigend. Noch immer kein Blinzeln.
    —    Doris Sarstedt? sage ich.
    —    Doris Sarstedt, sagt sie.
    Ich wende mich ab und gehe zum Wagen zurück. Val schläft noch immer. Ihre Stirn ist gegen das Fenster gedrückt, der Mund ein wenig geöffnet. Vorsichtig ziehe ich die Beifahrertür auf und hebe Val vom Sitz. Sie ist leicht, fast ohne Gewicht.
    -He, Val?
    Sie reagiert nicht, also trage ich sie auf den Armen zum Haus. Die Tür ist längst wieder geschlossen, das Licht im Erdgeschoß brennt aber noch. Ich trete mit dem Fuß auf den Klingelknopf. Alles oder nichts.
    —    Ich habe Ihnen doch gesagt---
    Die Frau bricht mitten im Satz ab. Sie hat die Tür aufge-rissen und für einen Moment sah ich, daß sie kurz davor war, mir eine zu verpassen. Eine Löwin, die ihre Höhle verteidigt. Vals Anblick hat sie zum Schweigen gebracht.
    —    Wollen Sie noch immer behaupten, daß Sie sie nicht kennen? frage ich.
    Ihre Augen wandern von Val zu mir, dann zu Val zurück. Die Frau öffnet den Mund, schließt ihn wieder. Sie sieht plötzlich traurig aus.
    —    Tut mir leid, sagt sie leise, Vielleicht sollten Sie Ihre Freundin lieber in ein Krankenhaus bringen.
    Bevor ich darauf reagieren kann, bewegt sich Val. Sie drückt ihren Kopf an meine Brust, das helle Licht über der Haustür stört sie. Dann blinzelt sie, sieht mich an und sagt:
    -Hi.
    —    Hi, antworte ich.
    —Was machen wir...
    Val verstummt, dreht den Kopf und schaut die Frau an. Ich bin bereit für alles. Ich bin bereit für Tränen und pompöse Geigenmusik; ich bin nicht darauf vorbereitet, daß Val sich die Hand vors Gesicht schlägt und sagt:
    —    O mein Gott, ist das peinlich.
    Zehn Minuten später halten wir auf dem Parkplatz eines McDonald’s. Ich bin am Kochen. Ich bin so sehr am Kochen, daß ich Hitze abstrahle.
    —    Wie konntest du mich nur so verarschen? frage ich sie, Wie konntest du mich nur so gnadenlos verarschen? Ich bin...
    Ich schaue auf die Kilometeranzeige.
    —    ... fast dreihundert Kilometer gefahren, damit du mich verarschst, sehe ich das falsch?Tickst du noch ganz richtig?
    Val sitzt gegen die Beifahrertür gepreßt und kaut an einem Fingernagel. Ich will ihr auf die Hand schlagen. Ich will, daß sie sich auf mich konzentriert und aufhört, aus dem Fenster zu sehen.
    —Wer ist sie? frage ich.
    —    Eine Bekannte.
    —    Eine Bekannte von wem?
    —    Eine Bekannte meines Onkels. Er hatte mal eine Affäre mit ihr, ich kenne sie nur vom Photo.
    —    Und hast dir ihren Namen gemerkt?
    —    Und hab mir ihren Namen gemerkt, ja und?
    Ich muß mich verhört haben.
    —Was hast du eben gesagt?
    —    Ja und habe ich gesagt. Was regst du dich so auf? Sollte das eine Überraschung werden oder was? Denkst du, du kannst mich abschleppen und nach Berlin verfrachten, als wäre ich Mastvieh? Warte, wenn das Greenpeace erfahrt.
    Sie lacht nicht, ich lache nicht, niemand lacht über diesen Schwachsinn.
    —    Val, sage ich und versuche mich zu beruhigen, Val,
    bitte, du hast mir erzählt, sie wäre deine Mutter. Ich ... ich wußte nicht weiter und dachte, deine Mutter könnte dir vielleicht---
    —    Scheiß auf meine Mutter, unterbricht mich Val und wendet sich mir endlich zu, Es tut mir leid, okay? Ich habe Mist gebaut, ich habe Mist gebaut, und ich habe Mist gebaut. Ich entschuldige mich, ja? Sei jetzt bitte wieder lieb, es tut mir leid, hörst du?
    Ihre Hand legt sich auf mein Knie.
    —    Laß uns nach Hause fahren.
    Sie sagt es mit einem Lächeln und rutscht näher, küßt meinen Hals, schmiegt sich an mich, küßt meinen Mund.
    —    Laß uns zu mir fahren, dann massiere ich dich und wir... Was ist, was guckst du so?
    Ich glaube es nicht. Ich sehe sie an und glaube es nicht.
    -Val, sage ich betont langsam, Bei dir zu Hause liegt eine verdammte Leiche im Badezimmer, hast du das vergessen?
    —    Oh...
    Ihre Hand verschwindet von meinem Knie.
    —    Oh ist alles, was dir dazu einfallt?
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