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Du bist zu schnell

Titel: Du bist zu schnell
Autoren: Zoran Drvenkar
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schlafen? fragte sie.
    -    Es geht. Und du?
    —    Ich bin noch nicht müde. Ich wollte noch ein wenig lesen.
    Sie schaute auf den Tisch, als ob da ein Buch liegen würde.
    -    Und? fragte ich, Wie ist das Buch?
    —    Unmöglich, antwortete sie und nahm einen Schluck aus ihrem Becher.
    Ich sah die Kaffeekrümel auf ihrer Oberlippe, und ich sah die Kaffeekrümel auf ihren Zähnen, als sie mich fragte, ob wir nicht wieder ins Bett gehen wollten.
    Ich wich einen Schritt zurück. Das letzte, was ich wollte, war, jetzt mit Val ins Bett zu gehen.
    —    Ich ... ich brauch ein wenig Luft, ich werde Spazierengehen.
    -    Jetzt?
    -    Jetzt.
    -    Mach das, sagte Val, ich lese noch eine Weile.
    Und wieder sah sie auf die Tischplatte, und ich grinste dämlich und beeilte mich, aus der Wohnung zu kommen.
    Zwei Stunden später war ich auf dem Rückweg und mir sicher, daß es ein Mißverständnis gewesen sein mußte. Vielleicht war ich es, der halluziniert hatte. Alles war möglich. Ich lachte, schüttelte den Kopf, konnte aber diese Kaffeekrümel nicht vergessen. Sie erschreckten mich am meisten. Mehr noch als das unsichtbare Buch.
    Bei meiner Rückkehr in die Wohnung war Val am Küchen tisch eingeschlafen. Ich nahm sie auf den Arm und trug sie ins Bett.
    Danach schloß ich mich im Bad ein und durchsuchte ihr Kosmetiktäschchen. Damals wußte ich nichts von ihrer Krankheit, ich war völlig ahnungslos.
    Die Pillen waren in einer blauen Verpackung. Kein Beipackzettel, nur ein paar Pillen in Folie. Ich stand da, hielt sie in der Hand und versuchte, mir ihren Namen zu merken.
    Am Morgen hatte ich ihn vergessen.

    — Ich will nicht mehr hinten sitzen.
    Val steigt vorne ein und kramt sofort in den CDs. Sie pickt Greg Keelor heraus, Gone, während ich von der Raststätte fahre, beide Hände fest am Lenkrad und übertrieben konzentriert. Vals Blicke streifen mich, ich spüre es und nehme die Augen nicht von der Straße. Ich kann noch nicht reden.
    -    Möchtest du nicht wissen, was passiert ist? fragt Val.
    -    Noch nicht, sage ich.
    Wir schweigen, und als Val unruhig wird, frage ich:
    -    Schmerzen?
    Sie nickt.
    —Vielleicht solltest du deine Pillen nehmen, schlage ich vor.
    —    Ja, vielleicht.
    Sie greift nach hinten, um die Schachtel aus ihrem Rucksack zu kramen. Sie drückt sich zwei Pillen in die Handfläche.
    -    Eine reicht nicht?
    -Wenn eine reichen würde, würde ich eine nehmen, antwortet Val und legt sich die Pillen hinten auf die Zunge. Ich beobachte sie dabei aus den Augenwinkeln, beobachte diesen kurzen Moment, der mir inzwischen so vertraut ist.

    Nachdem ich Vals Medikament entdeckt hatte, war mir nicht klar, worauf ich da eigentlich gestoßen war. Also stellte ich sie zur Rede und hörte mir ihre Erklärung an: Migräne und schlimme Schmerzen während der Regel. Das reichte mir nicht. Ich lieh mir für einen Nachmittag die blaue Verpackung aus ihrem Kosmetiktäschchen.
    Eine Apothekerin fand mich indiskret und lehnte jedwede Auskunft ab. Sie fragte mich, woher ich das Medikament hätte und ob ich denn wüßte, daß ich mich strafbar machte.
    -Womit? fragte ich, und sie sah mich nur an, als würde ich bluffen.
    In der vierten Apotheke kam ich einen Schritt weiter.
    —    Neu, sagte der Apotheker, Kenn ich noch nicht.
    —    Und was genau ist es?
    Er drehte die Pillenverpackung in den Händen, als würde irgendwo eine Erklärung stehen, was genau das für Pillen waren.
    -    Ein Anti-Epileptikum, sagte er und gab sie mir zurück, Noch nicht auf dem Markt, verstehen Sie?
    Ich verstand, dennoch konnte ich damit nicht viel anfangen. Wie kam Val an ein Medikament, das es noch nicht zu kaufen gab?
    Dann wechselte die Marke. Das alles geschah in einem Zeitraum von vier Monaten. Zu der einen blauen Pillenpak-kung kamen drei andere hinzu. Rot, orange, grün. Die gesamte Kollektion landete nicht in Vals Kosmetiktäschchen. Die alten Packungen verschwanden und wurden durch neue ersetzt. Ich blieb dran. Wenn ich einmal mißtrauisch bin, lege ich das nur schwer wieder ab.
    Eines Abends durchsuchte ich Vals Wohnung, bevor sie von der Uni nach Hause kam. Ihr Vorrat war in einer Schublade unter Briefen und Photos versteckt. Ich fand sechzehn verschiedene Pillensorten, bei allen fehlte der Beipackzettel. Es waren einfach nur Pillen mit verschiedenen Namen in farbigen Folien. Der Großteil war nicht aufgebraucht.
    Ich konnte Val nicht darauf ansprechen. Ich wußte, sie
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