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H2O

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Titel: H2O
Autoren: Patric Nottret
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    Der Kastenwagen, auf dessen staubbedeckten Seiten in großen Lettern »Spurensicherung« prangte, kroch wie ein altes müdes Tier unter die Kokospalmen, wo er anhielt. Der Motor erstarb. Der Fahrer knurrte:
    »Verdammte Kiste ... bricht mir eines Tages noch unterm Hintern zusammen. Total im Eimer ...«
    Der Polizist Robert, ein untersetzter milchkaffeebrauner Typ mit hellen Augen, kletterte aus dem Wagen und schloss ihn pfeifend ab. In der Hand hielt er ein kleines Plastikköfferchen, über der Schulter trug er eine Tasche mit einer Digitalkamera. Er stapfte unter den Kokospalmen zum Strand, der in der prallen Sonne lag.
    Das leuchtend blaue Meer war von Schaumkronen bedeckt, die an den Lavafelsen vor dem sandigen Uferstreifen in Garben explodierten. In der Ferne deutete ein heller Streifen auf ein Korallenriff hin. Fischerboote, den Bug im Sand, bildeten Farbtupfer in der strengen Vulkanlandschaft.
    Am Wasser vor einer Reihe von Stangen, verbunden durch ein im Wind knatterndes gelbes Plastikband, unterhielten sich vier Personen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Einer von ihnen war ein Polizist mit rötlichem Gesicht und verdrießlichem Blick. In der Hand hielt er ein Walkie-Talkie. Die drei anderen waren hochgewachsene Männer mit flachen Schirmmützen und offenem Hemd über der schwarzen muskulösen Brust.
    Der Polizist rief seinem Kollegen zu:
    »Das wurde aber auch Zeit, Robert! Ich stehe schon seit zwei Stunden hier in dieser Affenhitze!«
    Der Mann von der Spurensicherung hob beschwichtigend die Hand.
    »Ganz ruhig, Max ... Du weißt doch, der Verkehr ... Und was gibt's heute?«
    »Keine Ahnung«, brummte der Polizist. »Bootsteile, ein Kanister mit der Aufschrift ›giftig‹. Denke, du wirst enttäuscht sein ... Ich habe die Schaulustigen verscheucht und den Bereich mithilfe dieser Herrschaften gesichert.«
    Mit der Geste eines Showmasters deutete er auf die Fischer. Die drei Männer nahmen gleichzeitig ihre Mützen ab und drückten dem Neuankömmling die Hand. Der rotgesichtige Polizeibeamte fuhr fort:
    »Diese Herrschaften haben das hier am frühen Morgen vorgefunden. Wollten zum Fischfang aufbrechen ... Sie haben nichts angerührt und gleich angerufen. Ich war mit dem Wagen in der Nähe. Du kannst dich an die Arbeit machen, ich fahre nach Hause.«
 
    Der Mann vom Polizeilabor Saint-Denis auf Réunion hatte eine sonore Bassstimme. »Robert, manchmal hast du wirklich ein glückliches Händchen. Es gibt deutliche Spuren von Sprengstoff an den Bootstrümmern, die du am Strand gefunden hast.«
    Der Polizist fiel aus allen Wolken.
    »Mist! Sprengstoff?«
    »Derselbe wie auf den Metallteilen an dem Kanister mit dem Totenkopf. Außerdem klebte tatsächlich menschliche Haut daran.«
    »Menschliche Haut? Welche Farbe?«
    »Sie war zu lange in Salzwasser eingelegt, deshalb lässt sich das nicht so einfach feststellen. Das Labor arbeitet noch daran. Auf diesem Kahn muss es heftig zugegangen sein.«
    »Hat die Küstenwache letzthin irgendwas Verdächtiges gemeldet?«
    »Nichts ... Keine besonderen Vorkommnisse. Wir haben die Handelsmarine, den Zoll und die Kriegsmarine informiert. Man kann ja nie wissen.«
    »Glaubst du, es war ein Überfall? Piraten? Schmuggler? Eine Abrechnung zwischen Drogenhändlern?«
    »Ich glaube gar nichts. Mir geht der Sinn fürs Dramatische ab, ebenso wie die Fantasie. Sonst würde ich mir einen anderen Job suchen. Für die Analyse von Sprengstoffen sind wir hier nicht besonders gut ausgerüstet, deshalb haben wir eine Kopie deines Videofilms an verschiedene Polizeilabors der Hauptstadt geschickt. Dazu noch eine Spektrografie von dem entnommenen Sprengstoffruß und den Metallpartikeln.«

3
 
 
 
    Durch das Fenster blickte man auf einen sternenübersäten Himmel, von der Straße drangen Séga -Rhythmen herein. Giran, Experte für Meeresökosysteme, ein junger Bursche mit lockigem Haar und dem Kinn eines Boxers, war entzückt. Entzückt, aber auch besorgt.
    Dabei schien sein Besucher sich hier wohlzufühlen, denn er nippte in der kleinen aufgeräumten Wohnung genussvoll an seinem kreolischen Punch.
    Giran bedachte ihn mit einem verlegenen Lächeln. Ein Lächeln, das seine großen Zähne entblößte und unweigerlich an den Kühlergrill eines Cadillac der FünfzigerJahre denken ließ.
    »Sehen Sie, es gehört zu unserer Arbeit, zu beobachten, wie sich die Fauna und Flora hinter dem Korallenriff entwickelt. Aber wir können nicht ständig tauchen, und so nutzen wir die
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