Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du bist nie allein

Du bist nie allein

Titel: Du bist nie allein
Autoren: Nicholas Sparks
Vom Netzwerk:
fand er, war nicht aufregend genug, also bemühte er sich, ihn mit all den angesammelten Ideen aufzupeppen. Unter anderem ging es auch um einen in San Francisco verborgenen Atomsprengkopf, einen korrupten Cop, der Zeuge des Attentats auf JFK gewesen war, einen irischen Terroristen, die Mafia, einen Jungen und seinen Hund, einen bösen Geldverleiher und einen Wissenschaftler auf Zeitreise, der im Heiligen Römischen Reich knapp der Verfolgung entronnen war. Am Ende hatte schon der Prolog einen Umfang von hundert Seiten, dabei waren die Hauptverdächtigen noch nicht einmal auf der Bildfläche erschienen. Natürlich setzte Mike die Arbeit schließlich nicht fort.
    Er hatte in seinem Leben schon vieles ausprobiert, Zeichnen, Malen, Hinterglasmalerei, Töpfern, Schnitzerei und Makramee, und einmal hatte er, einer Eingebung folgend, die ihn eine Woche von der Arbeit fern hielt, sogar ein paar Kunstwerke erschaffen. Er schweißte und drahtete Autowrackteile zu drei turmhohen, fragilen Exponaten zusammen, und als er fertig war, bewunderte er von der Vordertreppe seines Hauses aus stolz sein Werk, aus tiefstem Herzen überzeugt, endlich seine Berufung gefunden zu haben. Dieses Gefühl hielt eine Woche lang an, bis der Stadtrat bei einer hastig einberufenen Sitzung eine Verordnung gegen das Lagern von Unrat im Vorgarten erließ.
    Wie so viele Menschen hegte Mike Harris den Traum, Künstler zu sein – nur fehlte es ihm an Talent.
    Dafür konnte Mike praktisch alles reparieren. Er war der geborene Handwerker, ein wahrer Ritter in schimmernder Rüstung, wenn sich unter Küchenspülen Pfützen bildeten oder Müllschlucker plötzlich ihren Geist aufgaben. So geschickt er aber generell als Handwerker war: Bei allem, was vier Rädern und einen Motor hatte, grenzte sein Können an Zauberei. Er und Henry waren Inhaber der lukrativsten Werkstatt in der Stadt, wobei Henry sich um den Papierkram kümmerte und Mike die eigentlichen Arbeiten ausführte. Ausländische oder einheimische Modelle, ein vierzylindriger Ford Escort oder ein Porsche 911 Turbo – er konnte alles reparieren. Er war imstande, einen Motor abzuhorchen, kleinste Fehlgeräusche herauszuhören, die anderen entgingen, und so festzustellen, was im Argen lag, meist innerhalb weniger Minuten. Er kannte sich mit Einlasskrümmern und -ventilen aus, mit Streben und Kolben, Stoßdämpfern, Kühlern und Radstandanpassung, und er konnte aus dem Gedächtnis die Einstellung von nahezu jedem Auto wiedergeben, das je in die Werkstatt gerollt war. Er vermochte Motoren wieder zusammenzusetzen, ohne in eine Anleitung zu schauen. Doch seine Fingerspitzen waren permanent schwarz, und obwohl er wusste, dass das Ganze ein redlicher Broterwerb war, hätte er manchmal zu gern einen Bruchteil dieses Talents auch in anderen Bereichen seines Lebens verwendet.
    Mechanikern und Musikern eilt traditionell der Ruf voraus, Frauenhelden zu sein, aber Mike bildete eine Ausnahme. Er hatte bisher zwei feste Freundinnen gehabt, und da eine dieser Beziehungen in seine Highschool-Zeit fiel und die andere mit Sarah vor drei Jahren zu Ende gegangen war, lag die Vermutung nahe, dass Mike nicht eben auf der Suche nach einer dauerhaften Bindung war, oder auch nur nach einer, die einen Sommer lang hielt. Selbst Mike geriet darüber manchmal ins Grübeln, doch zurzeit endete die Mehrzahl seiner Dates, so sehr er auch anderes ersehnte, mit einem Küsschen auf die Wange, verbunden mit dem Dank der jeweiligen Frauen dafür, dass er ein so guter Freund war. Mit vierunddreißig war Mike Harris folglich bemerkenswert bewandert in der hohen Kunst, Frauen brüderlich zu umarmen, während sie sich an seiner Schulter darüber ausweinten, was für ein Schuft ihr letzter Freund gewesen war. Dabei sah er gut aus, er war ein echter
All-American Boy,
mit hellbraunem Haar, blauen Augen, fröhlichem Lächeln und einer guten Figur. Auch war es nicht so, dass Frauen an seiner Gesellschaft kein Gefallen fanden, im Gegenteil. Sein mangelndes Glück beruhte vielmehr darauf, dass Frauen, die sich mit Mike trafen, spürten, dass er im Grunde nicht wirklich auf eine Beziehung mit ihnen aus war.
    Sein Bruder Henry wusste, woher dieser Eindruck rührte; Mikes Schwägerin Emma ebenfalls. Auch Mabel kannte den Grund, wie praktisch jeder, der Mike Harris kannte.
    Mike, das wussten alle, war schon lange in jemand anders verliebt.
    »Hey, Julie – warte mal.«
    Julie, die soeben am Rand von Swansboros altmodischem Geschäftsviertel angekommen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher