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Du bist nie allein

Du bist nie allein

Titel: Du bist nie allein
Autoren: Nicholas Sparks
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Engineering aus Cleveland tätig das Ingenieurbüro, das die Brücke über den Intracoastal Waterway sanierte. Julie hatte ihn kennen gelernt, als er in den Salon kam, um sich die Haare schneiden zu lassen. Bei ihrem Treffen hatte er ihr die Tür aufgehalten, an den richtigen Stellen im Gespräch gelächelt, für sie beim Kellner ihre Bestellung aufgegeben, und als er Julie später zu Hause absetzte, hatte er nicht einmal den Versuch unternommen, sie zu küssen. Zudem sah er auch noch gut aus, mit wie gemeißelten Wangenknochen, smaragdgrünen Augen, schwarzem Haar und Schnauzer. Julie hätte am liebsten gejauchzt:
Halleluja! Ich habe das Licht gesehen!
    Singer schien nicht ganz so beeindruckt. Nachdem sie Richard eine gute Nacht gewünscht hatte, war Singer in eine seiner »Ich bin hier der Boss«-Nummern verfallen. Er hatte geknurrt, bis Julie die Haustür öffnete.
    »Oh, hör auf«, sagte sie. »Sei nicht so hart gegen ihn.«
    Singer leistete zwar Folge, aber er hatte sich ins Schlafzimmer verzogen, wo er die restliche Nacht über schmollte.
    Wenn mein Hund noch ein wenig wunderlicher wäre, dachte Julie nun, könnte ich mit ihm im Panoptikum auftreten, gleich nach dem Mann, der Glühbirnen verspeist.
    Aber schließlich ist mein Leben ja auch nicht unbedingt normal verlaufen.
    Julie drehte den Wasserhahn auf und trat in die Dusche, gegen den Sog der Erinnerung ankämpfend. Was hatte es für einen Sinn, schwere Zeiten Revue passieren zu lassen? Ihre Mutter hatte zwei fatale Schwächen gehabt: Alkohol und die falschen Männer. Jedes für sich wäre schon schlimm genug gewesen, aber die Kombination war für Julie unerträglich. Ihre Mutter verbrauchte Liebhaber wie Kleinkinder Papiertaschentücher, und bei manchen hatte sich Julie, als sie heranwuchs, äußerst unwohl gefühlt. Der Letzte hatte sich sogar an ihr zu vergreifen versucht, doch als Julie ihrer Mutter davon erzählte, hatte diese – angetrunken, in Tränen aufgelöst und rasend vor Zorn – ihr vorgeworfen,
ihm
Avancen gemacht zu haben. Schon bald darauf hatte Julie kein Zuhause mehr.
    Das Leben auf der Straße, die sechs Monate, bevor Jim auftauchte, waren fürchterlich gewesen. Fast alle Leute, die sie kennen lernte, nahmen Drogen und schnorrten oder stahlen… oder Schlimmeres. Voller Furcht, so zu werden wie die gehetzten Ausreißer, die Julie jeden Abend im Asyl und in den Hauseingängen sah, bemühte sie sich wie verrückt um Aushilfsarbeit, um nicht hungern und herumstreunen zu müssen. Sie nahm jeden Hilfsjob an, der sich ihr bot, und verhielt sich so unauffällig wie möglich. In dem Diner in Daytona, wo sie Jim zum ersten Mal begegnete, trank sie gerade eine Tasse Kaffee von ihrem letzten Kleingeld. Jim lud sie zum Frühstück ein und sagte auf dem Weg nach draußen, er würde sie auch am nächsten Tag einladen, wenn sie wiederkäme. Von Hunger getrieben kam sie tatsächlich wieder, doch als sie ihn wegen seiner Beweggründe zur Rede stellte und schon eine unangenehme Tirade über Notzucht mit Minderjährigen und Gefängnis parat hatte, bestritt Jim jedes unziemliche Interesse an ihr. Und am Ende der Woche, kurz vor seiner Heimreise, machte er ihr einen Vorschlag: Wenn sie nach Swansboro, North Carolina, zöge, würde er ihr helfen, eine richtige Arbeit und ein Dach über dem Kopf zu finden.
    Sie erinnerte sich, ihn angestarrt zu haben, als kämen ihm Käfer aus den Ohren gekrochen.
    Einen Monat darauf aber, in Ermangelung sonstiger fester Pläne, trudelte sie in Swansboro ein. Doch schon als sie aus dem Bus stieg, schoss ihr durch den Kopf:
Was habe ich in diesem Nest verloren?
Dessen ungeachtet suchte sie Jim auf, der mit ihr – trotz ihrer beharrlichen Skepsis – in den Salon hinüberging, um sie seiner Tante Mabel vorzustellen. Und siehe da, am Ende fegte Julie Böden, wohnte im Zimmer über dem Salon und bekam einen ordentlichen Stundenlohn.
    Zunächst war Julie erleichtert darüber, dass Jim offenbar nicht an ihr interessiert war. Dann war sie erstaunt. Dann verärgert. Endlich, nachdem sie Jim gegenüber mehrfach, wie sie fand, ziemlich unverhohlene Andeutungen gemacht hatte, verlor sie die Geduld und fragte Mabel, ob sie glaubte, Jim fände sie unattraktiv. Mabel erzählte es weiter. Erst daraufhin schien Jim ein Licht aufzugehen. Er und Julie gingen miteinander aus, einmal und dann noch einmal, und nach einem Monat waren sie heftig verliebt – woraus sich schon bald echte Liebe entwickelte. Jim machte Julie einen Heiratsantrag, sie
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