Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du bist nie allein

Du bist nie allein

Titel: Du bist nie allein
Autoren: Nicholas Sparks
Vom Netzwerk:
Zeh gegen die Kommode. Der Schmerz schoss vom Zeh hoch durch den Unterschenkel. Nach dem ersten Schrei verlegte Julie sich aufs Fluchen, stieß Kraftausdrücke in allen nur denkbaren Variationen aus. Wie sie so in ihrem rosa Pyjama auf einem Fuß umherhopste, war sie sich sicher, dass sie einer Art durchgedrehtem Duracell-Hasen glich. Singer warf ihr nur einen Blick zu, der zu besagen schien,
Warum dauert das so lange? Denk dran, du hast mich hochgescheucht, also mach voran. Ich hab draußen was zu tun.
    Sie stöhnte. »Siehst du nicht, dass ich verwundet bin?«
    Singer gähnte noch einmal. Julie rieb sich den Zeh und humpelte dann hinter ihm her.
    »Danke, dass du so mitfühlend bist. Im Notfall ist wirklich kein bisschen Verlass auf dich.«
    Gleich darauf, nachdem Singer Julie kurz auf den wehen Zeh getreten war – mit Absicht natürlich –, war er draußen. Statt die Mülltonnen anzusteuern, wanderte er hinüber zu dem bewaldeten Grundstück auf der einen Seite ihres Hauses. Sie beobachtete, wie er den riesigen Kopf von einer Seite zur anderen schwang, als wolle er sich vergewissern, dass niemand am Tag zuvor neue Bäume oder Sträucher angepflanzt hatte. Alle Hunde markierten gern ihr Revier, aber Singer schien zu glauben, wenn er sich nur an genügend Orten erleichterte, würde er zum Hundekönig der ganzen Welt gekrönt.
    Wenigstens hatte Julie ihn so für eine Weile vom Hals. Dem Himmel sei Dank dafür, dachte Julie. Die letzten paar Tage über hatte Singer sie schier wahnsinnig gemacht. Er war ihr überallhin gefolgt, wollte sie nicht einmal ein paar Minuten aus den Augen lassen, außer, wenn sie ihn nach draußen schickte. Nicht mal das Geschirr konnte sie wegräumen, ohne ein Dutzend Mal mit ihm zusammenzustoßen. Nachts war es noch schlimmer. In der letzten Nacht hatte er einen einstündigen Knurranfall, den er freundlicherweise mit einem gelegentlichen Bellen auflockerte, was sie zunehmend mit dem Gedanken spielen ließ, sich entweder einen schalldichten Zwinger oder eine Elefantenbüchse zuzulegen.
    Nicht, dass Singers Verhalten je… na ja, normal gewesen wäre. Abgesehen von seinem Pinkelritual hatte der Hund sich immer aufgeführt, als hielte er sich für einen Menschen. Er weigerte sich, aus einem Hundenapf zu fressen, er hatte nie eine Leine gebraucht, und wenn Julie fernsah, sprang er zu ihr aufs Sofa und starrte auf den Bildschirm. Wenn sie mit ihm redete – oder wenn sonst jemand mit ihm sprach –, legte er den Kopf schräg und sah sein Gegenüber aufmerksam an, als könne er dem Gesagten folgen. Und die meiste Zeit über schien es tatsächlich so, als verstünde er, was sie zu ihm sagte. Was auch immer sie ihm auftrug, egal, wie unglaublich der Befehl auch war, Singer führte das Gewünschte stets aus.
Könntest du mir meine Tasche aus dem Bad holen?
Im nächsten Moment kam Singer damit angetrottet.
Machst du das Schlafzimmerlicht aus?
Er betätigte den Schalter mit der Nase.
Bring die Suppendose in die Speisekammer, ja?
Im Maul trug er sie hin und stellte sie aufs Regal. Gewiss, auch andere Hunde waren gut abgerichtet, aber nicht so. Außerdem hatte es bei Singer keiner Abrichtung bedurft. Jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne. Julie brauchte ihm etwas bloß ein Mal zu zeigen, das genügte. Anderen Leuten kam das geradezu unheimlich vor, aber da sich Julie durch Singers Verhalten wie ein moderner Dr. Dolittle vorkam, gefiel es ihr im Grunde.
    Selbst wenn es bedeutete, dass sie mit ihrem Hund in vollständigen Sätzen redete, sich mit ihm wie mit einem Menschen stritt und ihn dann und wann sogar um Rat bat.
    Aber was war daran schon seltsam?, fragte sie sich. Sie lebten zusammen, seit Jim gestorben war, nur sie beide, und im Großen und Ganzen war Singer ein ganz guter Partner.
    Doch seit Julie wieder begonnen hatte, mit Männern auszugehen, führte sich Singer komisch auf, und er hatte nicht einen der Männer gemocht, die in den letzten Monaten vor ihrer Tür aufgetaucht waren. Julie hatte damit gerechnet. Schon als Welpe hatte Singer dazu geneigt, Männer bei der ersten Begegnung anzuknurren. Sie führte das immer auf einen sechsten Sinn zurück, der Singer befähigte, die guten Männer von denen zu unterscheiden, um die sie einen Bogen machen sollte. Doch in letzter Zeit hatte sie ihre Meinung geändert. Nun sah sie sich immer mehr dazu genötigt, in Singer nur die große, mit Fell versehene Version eines eifersüchtigen Geliebten zu sehen.
    Langsam würden sie sich einmal ernsthaft
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher