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Dschiheads

Dschiheads

Titel: Dschiheads
Autoren: Wolfgang Jeschke
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sosehr er sein Gedächtnis auch anstrengte, es wollte ihm nicht einfallen.
    Er schloss die Augen.
    Als er sie wieder öffnete, sah er, dass der Rabe herbeigeflogen war und ganz in der Nähe aufgebaumt hatte. Er hatte den grausam harten Schnabel leicht geöffnet und nickte Ailif auffordernd zu. Dann hob er die Flügel und schwang sich in die Luft – denn in diesem Moment kam Maurya mit Jonathan den Weg vom Verwaltungstrakt der Universität herunter. Sie nahm neben Ailif auf der Bank Platz, während Jonathan den Rasen vorzog und sich behaglich wälzte.
    Â»Was hat der Alte zu dir gesagt?«, fragte Ailif, der froh war, erst einmal nicht mehr über die Raben nachdenken zu müssen.
    Maurya zuckte mit den Achseln. »Er sagte, wir seien in jedes nur denkbare Fettnäpfchen getreten. Und das Schlimmste sei die Attacke auf den obersten Würdenträger einer Religionsgemeinschaft gewesen. ›Entschuldigung, Dean Cathaart‹, erwiderte ich, ›aber es war Notwehr. Dieser oberste Würdenträger wollte mir an die Wäsche.‹ – ›Aber werte Kollegin, doch nicht gleich mit einem Hammer!‹ – ›Es war nichts anderes zur Hand.‹ – ›Aber Sie hatten doch, wie ich dem Protokoll entnehme, Ihren Assistenten an Ihrer Seite.‹ – ›Ja, aber der lag blutend im Schilf. Einer der Ministranten dieses Würdenträgers hatte ihn mit einem Laser angeschossen. Er brauchte mehr Hilfe als ich.‹ – ›Nun, wie auch immer‹, sagte Cathaart, ›die Flotte wird wahrscheinlich Anklage gegen Sie erheben, womöglich wegen versuchten Totschlags, zumindest wegen Körperverletzung.‹ – ›Das werde ich in Kauf nehmen müssen.‹ – ›Und wahrscheinlich werdet ihr drei keine Schiffspassage mehr beantragen können‹, sagte der Alte noch, worauf ich versicherte: ›Diese Reise hat mir genügt. Mein Bedarf ist gedeckt.‹«
    Ailif nickte. »Dasselbe habe ich ihm auch gesagt. Bei mir kommt noch hinzu, dass ich einen Flottenoffizier im Dienst mit einem Skalpell bedroht und verletzt habe. Das wird offenbar als schwerwiegender Tatbestand angesehen.«
    Â»Lachhaft«, meldete sich Jonathan. »Und was ist mit meiner Verletzung? Wird die Universität den Ministranten, wie du so schön gesagt hast, verklagen?«
    Â»Das glaube ich nicht«, sagte Maurya. »Aber wegen der Marsulengeschichte haben der Großarchon und Commander Cayley ohnehin genug an der Backe.«
    In diesem Moment stürmte ein Expresszug aus der Stadt und zog eine Schleppe aus Pfiffen und Geläut hinter sich her. Maurya hob den Finger. »Der Aranyavas «, sagte sie. »Auf dem Weg zur Südküste.«
    Ailif lächelte. »Die Spezialistin.«
    Jonathan legte Maurya seinen dicken Kopf aufs Knie. »Ich mag dich, Maurya.«
    Â»Ich dich auch.«

| 38 |
    Es war am späten Vormittag. In Memphis wurde auch nach Sonnenaufgang noch gearbeitet – der Südpol war nicht weit, die Sonne stand nicht so hoch, brannte nicht so unerbittlich herab. Die Siesta begann erst mittags und dauerte fast den ganzen Nachmittag.
    Ich saß auf meinem kleinen Hub und zerrte einen der schweren Stämme hinauf auf die Darre. Die Maschine ächzte und heulte, und mir perlten Schweißtropfen den Rücken hinab.
    Â»Wozu braucht man diese Berge von Baumstämmen?«, fragte ich den Vorarbeiter der Floßlände, als er vorbeikam, um den Fortgang der Arbeiten zu kontrollieren. Dabei deutete ich mit einem Kopfnicken auf die mindestens sechzig Stämme, die ich in den letzten Tagen säuberlich nebeneinander auf den Balken der Darre abgelegt hatte.
    Â»Wenn sie getrocknet sind«, erwiderte er, »werden sie zu Balken und Brettern geschnitten oder zu Pressspanplatten verarbeitet. Was hier im Delta wächst, taugt nicht zum Bauen. Es ist weich und schwammig, außerdem stinkt es nach Fisch, was nicht wegzukriegen ist. Deshalb müssen wir das Holz aus dem Haar beziehen.«
    Â»Verstehe.«
    Er war mit meiner Arbeit sichtlich zufrieden und nickte mir lächelnd zu, bevor er weiterging.
    Da hörte ich hinter mir, vom Fluss her, ein vertrautes Tuten. Ich wandte mich um – und tatsächlich: Die Queen of the River hielt auf das Ufer zu, tuckerte die Floßlände entlang und machte hinten im Hafen fest.
    Ich erkannte die beiden schon von weitem und zog blitzschnell meine Schirmmütze tiefer in die
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