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Dschiheads

Dschiheads

Titel: Dschiheads
Autoren: Wolfgang Jeschke
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zurückgelegt, als uns die Flut entgegenkam. Schon am Abend war klar, dass wir uns kaum noch vom Fleck bewegten.
    Gegen Morgen, es war noch dunkel, war von der Brücke Enochs Trillerpfeife zu hören. Vom Bug wie vom Heck, von Backbord wie von Steuerbord wurde geantwortet. Dann läutete die Floßglocke, lang und anhaltend.
    Korbinian hatte sich aufgesetzt, den Blick prüfend auf das Ufer gerichtet.
    Â»Gegenverkehr?«, fragte ich ihn.
    Â»Kann man wohl so nennen«, erwiderte er.
    Ich sah ebenfalls zum Ufer hinüber. Lichter waren zu erkennen, und in dem dunstigen Leuchten dreier eng beieinanderstehender Apostel meinte ich vertäute Kähne auszumachen. Und weit voraus wuchs eine Wand aus dem dunklen Grün der Landschaft, sechzig, siebzig Meter hoch.
    Â»Dijkengel«, flüsterte Korbinian ehrfurchtsvoll. »Sie stemmen sich der Flut entgegen. Und die ist heute Nacht ganz schön happig.«
    Im Licht der Monde, die in diesen Breiten einen ganz anderen Schein verströmten, bot sich ein unwirkliches Bild: Das Floß hatte angehalten und … bewegte sich ganz langsam rückwärts!
    Was mussten das für Kräfte sein, die ein so schweres, Tausende von Tonnen wiegendes Floß nicht nur anzuhalten, sondern sogar zurückzuschieben vermochten?
    Mit besorgtem Gesicht kam Enoch von der Brücke herab. »Bleibt auf euren Matratzen und rührt euch nicht vom Fleck!«, befahl er. Und an mich gewandt, fügte er erklärend hinzu: »Wir befinden uns nicht mehr auf einem Floß, einer zusammengepackten Einheit, die von der Strömung gezogen wird, sondern auf einer losen Ansammlung einzelner Stämme. Achte darauf, nicht mit dem Fuß dazwischenzugeraten – das kann böse enden.«
    Ich musste unwillkürlich an das Bein von Anzos Vater denken und zog mit einem Ruck die Knie an die Brust. Tatsächlich hörte ich unter uns das Poltern, Dröhnen und Quietschen, mit dem die Stämme aneinanderprallten und -rieben, und hier und da platzten krachend die auf die Stämme genagelten Bretter der Stege ab.
    Im Laufe des Vormittags überschritt die Flut ihren Höhepunkt, und das Floß setzte sich ganz langsam wieder in Bewegung – Richtung Memphis. An den Ufern bot sich ein schaurig schönes Bild: In den Dijkengeln waren im dichten, sich reusenartig zusammenziehenden Gezweig Hunderte und Aberhunderte von Fischen gefangen, die silbern blitzten und zappelten, umschwärmt von grellbunten Vögeln, die der Vegetation ihren Fang abzujagen versuchten. Ihre Schreie mischten sich in das Pfeifen und Schnarren der Dijkengel, die ihre Luftsäcke entleerten und den Griff um ihre Beute festigten.
    Â»Hörst du sie furzen? Pfui Deibel!«, sagte Korbinian und hielt sich die Nase zu. »Und das ist erst der Anfang. Die haben kein Verdauungssystem. Sie lassen die Fische, die sie sich gekrallt haben, verwesen und saugen dann die Säfte der zersetzten Masse auf. Das stinkt zum Himmel, kann ich dir sagen. Und erst die nächste Flut spült die Überreste zurück ins Meer.«
    Â»Was sind das für Vögel?«, fragte ich und wies auf die kreischenden Scharen, die über den Dijkengeln schwirrten.
    Korbinian hob die Schultern. »Weiß ich nicht genau. Mit dem Vogelzeugs kenne ich mich nicht so aus. Enoch sagt, es sind Papageien oder so was von der Erde. Aras, die man hier weitergezüchtet und ausgewildert hat. Memphis ist bekannt für seine Vogelzüchter.«
    Ich musste an die Schwalben denken, die der frühere Commander der Flottenstation bei uns ausgesetzt hatte – es hieß, er hätte sie von einem Züchter in Memphis bezogen.
    Und dann, in der Abenddämmerung, erreichten wir schließlich die Anlegestelle.

| 33 |
    Sie hatten von der Orbitalstation abgelegt, und Ailif hatte es sich gerade in seiner Kabine bequem gemacht, als Maurya hereinkam. Sie trug nur ihren Bademantel. Ihr Haar war zerrauft.
    Â»Was ist, Maurya?«, fragte er. »Kannst du nicht schlafen?«
    Â»Nein. Mir geht so viel im Kopf herum. Und außerdem …« Ihre grünen Augen funkelten. Sie ging zum Bett und legte Ailif die Hand auf die Brust. Sofort formierten sich seine Moving Tattoos. »Schau dir diese Voyeure an«, sagte sie. »Sie wollen auch ihren Spaß.«
    Er lächelte. »Ist unsere Mission damit offiziell beendet?«
    Maurya warf einen raschen Blick auf seine Boxershorts und sah, wie seine Erregung wuchs. »Sieht so
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