Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dschiheads

Dschiheads

Titel: Dschiheads Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
stand, den Kopf hob und lauschte. Dann murmelte er etwas, das ich nicht verstand. Trug er etwa auch so einen Sender unter der Kopfhaut wie Ailif?
    Enoch führte seine Trillerpfeife zum Mund und blies ein Signal. Gleich darauf war sowohl vom Steuerbord- wie vom Backbordruder eine Antwort zu hören, und schließlich antwortete auch die Heckrudermannschaft. Ich bemerkte, dass das Floß näher ans rechte Ufer gesteuert wurde.
    Â»Wir haben Gegenverkehr«, verkündete Enoch lachend. »Kommt mit! Das dürfen wir uns nicht entgehen lassen.« Er zog sich eine verspiegelte Kapuzenjacke über. »Aber vergiss deine Schutzjacke nicht!«, rief er mir zu. »Die Sonne steht noch hoch.«
    Korbinian kam unter der Brücke hervor und brachte mir meine Kapuze, seine hatte er bereits angezogen. Enoch eilte mit großen Schritten voraus Richtung Backbordruder, wir polterten über den Steg hinter ihm her.
    Und dann kam sie angetuckert, die gute alte Queen of the River . Sie fuhr flussaufwärts, kämpfte gegen die Strömung an und ließ in kurzen Abständen ihre Schiffssirene ertönen.
    Doch was war das? An der Reling aufgereiht, standen etwa drei Dutzend Männer in verspiegelten Kapuzenjacken, den Hosenlatz geöffnet und – ja, wahrhaftig – blank gezogen. Sie alle pissten mit großem Geschrei und Gelächter über die Reling in unsere Richtung. Ein Salut – volle Breitseite.
    Korbinian öffnete seinerseits die Hose, kramte sein Pfeiflein hervor und erwiderte – kreischend vor ausgelassener Heiterkeit – die Ehrenbezeigung.
    Â»Na, was sehe ich da?«, rief Enoch zu den aufgereihten silberglänzenden Gestalten hinüber. »Zwerge! Nichts als Zwerge!«
    Noch mehr Heiterkeit, Geschrei und Gelächter, und wieder tutete die Sirene. Dann war die Queen of the River vorüber, und Korbinian schloss sorgfältig seinen Hosenlatz.
    Â»Wie ist denn das so bei euch?«, fragte ich ihn auf dem Rückweg zum Gemeinschaftsraum. Enoch war bereits vorausgegangen. »Ihr seid doch sehr lange unterwegs auf dem Floß.«
    Â»Etwa hundert Tage, ja.«
    Â»Und?«
    Â»Du meinst …« Er machte eine unmissverständliche schlenkernde Handbewegung.
    Â»Ja.«
    Â»Da muss sich jeder selbst behelfen. Oder zwei tun sich zusammen.«
    Der alte Mann musste meinen angewiderten Gesichtsausdruck bemerkt haben – ich hatte in dem Moment an die unappetitlichen Spielchen von Gabriel und Michael gedacht, deren Zeugen Anzo und ich geworden waren. »Weißt du, Suk«, sagte er, »jeder soll auf seine Weise glücklich werden.« Er zuckte mit den Achseln. »Wenn wir Memphis erreicht und das Floß vertäut haben und ausbezahlt werden, dann ist was los in den Bordellen der Stadt. Das kannst du mir glauben, Junge.«
    Â»Du auch?«, fragte ich.
    Â»Ha!« Er kicherte und streifte seine Kapuze zurück. »Junge, bei mir sind diese Zeiten längst vorüber. Ich bin so trocken wie der Glast.«
    Inzwischen hatten wir die Brücke erreicht. Das Floß wurde wieder in die Mitte des Flusses gesteuert.
    Â»Wollt ihr was trinken?«, fragte uns Mildred. »Eistee?«
    Ich nickte. »Ja, bitte.«
    Â»Wein«, krächzte Korbinian durstig.
    Mildred grinste. »Dachte ich mir doch.«
    Â»Wann werden wir in Memphis sein?«, fragte ich.
    Â»Aha.« Mildred grinste noch mehr und wandte uns ihre Westküste zu.
    Â»Memphis?« Korbinian drehte unbestimmt die Hand. »Acht, zehn, zwölf Tage. Je nachdem, wie die Flut uns aus dem Delta entgegenkommt.«
    Und die Flut kam uns entgegen – mächtig.
    Der Ontos wurde breiter, seine Ufer wurden grüner, und auch die Luft veränderte sich: Sie wurde kühler und feuchter. Immer häufiger sah man Gehöfte, Villen, sogar kleine Ortschaften – und nachts ihre Lichter.
    Tag für Tag machten wir, Korbinian und ich, unsere Tour mit dem Proviantwagen, morgens zum Bug, abends zum Heck, um die Männer, die an den Rudern Dienst taten, mit Essen und Getränken zu versorgen und die leeren Behälter abzuholen, die Mildred in der Maschine wusch.
    Â»Was ist mit den Leuten an den Seitenrudern?«, fragte ich einmal.
    Â»Die kommen abwechselnd herüber und essen im Gemeinschaftsraum. Die haben es ja nicht so weit.«
    Von da an gesellte ich mich manchmal zu ihnen. Es waren raue, kräftige Burschen, die nicht viel redeten, aber umso mehr aßen.
    Mildred tischte

Weitere Kostenlose Bücher