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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht
Autoren: Sue Grafton
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über die ganze Grundstücksbreite und hat rechts eine Tor-Durchfahrt, die
zu einem winzigen Parkplatz auf der Rückseite führt. Der einzige Nachteil ist
die knauserige Vergabe der Stellplätze. Es gibt sechs Nutzerparteien und zwölf
Parkplätze. Da Lonnie der Hausbesitzer ist, hat seine Kanzlei vier belegt:
einen für John, einen für Martin, einen für Lonnie und einen für Lonnies
Sekretärin Ida Ruth. Die verbleibenden acht wurden nach der Größe der vermieteten
Räumlichkeiten aufgeteilt. Uns, die wir leer ausgingen, blieb die Wahl zwischen
der Straße und einem der öffentlichen Parkplätze drei Häuserblocks weiter. Die
Parkgebühren sind, an Großstadtnormen gemessen, lächerlich, aber bei meinem
begrenzten Budget schlagen sie doch zu Buche. Das Bordstein-Parken ist in der
Innenstadt zwar gebührenfrei, aber auf neunzig Minuten begrenzt, und die
Politessen verpassen einem sofort einen Strafzettel, wenn man auch nur eine
Minute überzieht. Folglich brauchte ich eine Menge Zeit, um mein Auto aus einer
Parklücke in die nächste zu kutschieren oder herumzukurven und einen Platz zu
suchen, der weder reglementiert noch ewig weit weg war. Zum Glück besteht
dieses nervtötende Problem aber nur bis achtzehn Uhr.
    Jetzt war es achtzehn Uhr fünfzehn, und
die vorderen Fenster im obersten Stock waren dunkel, was darauf schließen ließ,
dass schon alle Feierabend gemacht hatten. Als ich durch den Torbogen fuhr, sah
ich Lonnies Wagen noch auf seinem Platz stehen. Ida Ruths Toyota war nicht mehr
da. Also parkte ich in ihrer Box, neben Lonnies Mercedes. Auf Johns Parkplatz
stand eine mir unbekannte hellblaue Jaguar-Limousine. Ich reckte den Kopf aus
dem Seitenfenster und linste nach oben. In Lonnies Fenstern war noch Licht,
zwei blassgelbe Rechtecke im schrägen Schatten des Dachs. Offenbar hatte er
noch Besuch von einem Klienten.
    Die Tage wurden jetzt immer kürzer, und
um diese Uhrzeit legte sich ein düsteres Grau über die Stadt. Irgendetwas in
der Luft weckte Sehnsüchte nach Kaminfeuer, netter Gesellschaft und einem jener
Cocktails, die auf den Anzeigen-Fotos so raffiniert aussehen und die wie
Rheuma-Mixtur schmecken. Ich redete mir ein, dass ich noch zu tun hatte, aber
das war nur eine Ausrede, um das Nachhausekommen aufzuschieben.
    Ich schloss meinen Wagen ab und ging
zur Treppe. Sie wand sich einen runden Schacht hinauf, der sich wie ein Schlot
durch die Mitte des Gebäudes zog. Es war stockfinster, und ich musste die
kleine Taschenlampe an meinem Schlüsselbund benutzen, um die Stufen zu erkennen.
Der Außenflur im dritten Stock war dunkel, aber durch das Milchglas der
Eingangstür sah ich Licht vorn bei der Anmeldung. Tagsüber war der gesamte
dritte Stock hell und heiter, mit weißen Wänden, goldbraunem Teppichboden,
einem Dschungel von Zimmerpflanzen, skandinavischen Möbeln und Kunst in
leuchtenden Pastelltönen. Mein Büroraum war vorher eine Kombination aus
Besprechungsraum und Teeküche gewesen und enthielt jetzt meinen Schreibtisch
nebst Drehstuhl, Aktenschränken, einer kleinen Couch, die notfalls auch als
Bett fungieren konnte, einem Telefon und meinem Anrufbeantworter. Ich stand
nach wie vor unter »Detekteien« im Branchen-Telefonbuch, und wer unter der
alten Nummer anrief, bekam die neue mitgeteilt. In den Wochen seit meinem Umzug
waren zwar ein paar Aufträge hereingekleckert, aber ich sah mich doch
gezwungen, Zustellungen zu übernehmen, um über die Runden zu kommen. Bei
zwanzig Dollar pro Stück würde ich damit nie reich werden, aber an guten Tagen
kam ich manchmal immerhin auf einen Hunderter extra. Nicht schlecht, wenn ich
es zwischen die eigentlichen Ermittlungstätigkeiten einschieben konnte.
    Ich trat leise ein, um Lonnie nicht zu
stören, falls er gerade in einer Besprechung war. Seine Bürotür stand offen,
und ich sah im Vorbeigehen automatisch hinein. Er redete gerade mit einem
Klienten, aber als er mich sah, winkte er. »Kinsey, hätten Sie einen Moment
Zeit? Ich habe hier jemanden, mit dem ich Sie gern bekannt machen möchte.«
    Ich tappte im Rückwärtsgang wieder zu
seiner Tür. Lonnies Klient saß mit dem Rücken zu mir in dem schwarzen
Ledersessel. Als Lonnie aufstand, erhob er sich ebenfalls. Er drehte sich zu
mir um, während Lonnie uns einander vorstellte. Der Mann hatte, wenn ich mich
mal so ausdrücken darf, eine düstere Aura.
    »Kenneth Voigt«, sagte Lonnie. »Das ist
Kinsey Millhone, die Privatdetektivin, von der ich Ihnen erzählt habe.«
    Wir schüttelten uns die
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