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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht
Autoren: Sue Grafton
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Barney angefangen. Einen Monat nach unserer Scheidung hat sie ihn
geheiratet. Er hatte es nur auf ihr Geld abgesehen. Alle wussten das, nur die
arme, naive Iz nicht. Ich meine das nicht beleidigend. Ich habe diese Frau
wirklich geliebt, aber sie war nun mal ein Ausbund an Leichtgläubigkeit. Sie
war intelligent und talentiert, aber sie hatte absolut kein Selbstwertgefühl,
und das machte sie zur leichten Beute für jeden, der ihr ein freundliches Wort
schenkte. Sicher kennen Sie diese Sorte Frau. Emotional abhängig, Selbstachtung
gleich null. Sie war Künstlerin, und ich habe ihr Können sehr bewundert, aber
es war schwer, mitansehen zu müssen, wie sie ihr Leben weggeworfen hat...«
    Ich merkte, wie ich mich ausklinkte,
während er mit seiner Persönlichkeitsanalyse fortfuhr. Seine
Verallgemeinerungen über Frauen waren ärgerlich, und er hatte die Geschichte
offenbar schon so oft erzählt, dass seine Darstellung leblos und ohne jedes
Gefühl blieb. Das Drama drehte sich nicht mehr um sie, sondern nur noch um ihn
und um das, was es für ihn bedeutet hatte. Mein Blick wanderte hinüber zu dem
Stoß dicker Aktenordner auf Lonnies Schreibtisch. VOIGT/BARNEY konnte ich auf
den Rücken lesen. Zwei an der Wand aufeinander gestapelte Kartons enthielten
laut Beschriftung noch weitere Unterlagen. Alles, was Voigt sagte, würde sich
dort drin finden, eine Sammlung unkommentierter Fakten. Es war verrückt — was
er sagte, mochte wahr sein, aber es war deshalb noch lange nicht glaubhaft.
Manche Leute sind einfach so. Der simpelste Tatsachenbericht klingt aus ihrem
Mund falsch. Er sprach noch ein Weilchen weiter, in dichten Sequenzen, die
keine Chance zum Einhaken ließen. Ich fragte mich, wie oft Lonnie ihm wohl
schon als Publikum gedient haben mochte. Ich merkte, dass er ebenfalls
abgeschaltet hatte. Während Kenneth Voigts Mund sich weiter bewegte, ergriff
Lonnie einen Bleistift, drehte ihn zwischen den Fingern und klopfte abwechselnd
mit der Spitze und dann mit dem Radiergummi auf seinen Notizblock. Ich wandte
meine Aufmerksamkeit wieder Ken Voigt zu.
    »Wie ist dieser Barney denn aus der
Sache rausgekommen?«, fragte ich, sobald er Atem holte.
    Lonnie schaltete sich ein,
offensichtlich erpicht darauf, endlich zum Kern der Sache zu kommen. »Dink
Jordan war der Ankläger. Zum Einschlafen. Herrje! Ich meine, der Mann kann
wirklich was, aber er hat einfach kein Auftreten. Er dachte, die Fakten
sprächen für sich.« Lonnie quittierte die Absurdität dieser Einstellung mit
einem verächtlichen Schnauben. »Also prozessieren wir jetzt gegen Barney. Wir
fechten die Erbschaft an, wegen Mordes. Ich hasse diesen Kerl. Ich kann ihn
nicht ausstehen. In dem Moment, als er sich für nicht schuldig erklärt hat,
habe ich zu Ken gesagt, wir sollten dem Mistkerl mit Nagelstiefeln ins Genick
springen. Aber ich konnte ihn nicht dazu kriegen. Wir hatten schon Klage
erhoben, doch dann konnte Ken sich auf einmal nicht mehr entschließen.«
    Voigt zog unbehaglich die Brauen
zusammen. »Sie hatten ja Recht, Lon. Jetzt sehe ich das auch, aber Sie wissen
ja, wie das ist. Francesca — meine Frau — wollte nicht, dass wir das Ganze
wieder aufrollen. Es ist schmerzlich für alle Beteiligten... und für mich wohl
am allermeisten. Ich hatte einfach nicht die Kraft.«
    Lonnie guckte gequält. Er hatte wenig
Verständnis für die begrenzten Kräfte irgendwelcher Leute. Sein Job war es, die
Dinge anzupacken. Voigts Job war es, ihn zu lassen. »Schon gut. Lassen wir das.
Vertan ist vertan. Es hat ein Jahr gedauert, bis er vor der Strafkammer
freigesprochen wurde. Seither durfte Ken mit ansehen, wie David Barney
Isabelles Geld verprasst. Und Sie können mir glauben, da geht es um eine ganze
Menge Geld, das zum größten Teil seiner Tochter Shelby zugefallen wäre, wenn
sie Barney verurteilt hätten. Schließlich war der Punkt erreicht, an dem die
Familie nicht mehr länger stillhalten konnte. Also kam Ken zu mir, und wir
leierten die Sache wieder an. Inzwischen hat aber Barneys Anwalt, ein Typ
namens Foss, Antrag auf Klageabweisung wegen Säumnis gestellt. Ich sause also
aufs Gericht und strample mich ab. Der Antrag wurde abgelehnt, aber der Richter
hat sehr deutlich durchblicken lassen, dass er gar nicht gut auf mich zu
sprechen ist.
    Und jetzt nutzen dieser Barney und sein
Armleuchter von Anwalt natürlich jedes erdenkliche Mittel, um die Sache zu
verzögern. Sie feilschen und schachern, wo es nur geht. Wir sind bei der
Offenlegung. Der Kerl ist vor
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