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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht
Autoren: Sue Grafton
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gesprochen habe,
war er kurz davor, zwei und zwei zusammenzuzählen. Ich wusste, wenn ich ihn
nicht schleunigst aus dem Weg räumte, war ich geliefert. Die Unterlagen
beiseite zu schaffen, war dann ein Klacks. Was den Papierkram anging, war er ja
ziemlich schlampig.«
    »Woher hatten Sie die
Knollenblätterpilze?«
    »Aus dem Weidmannschen Garten. Die
Dinger haben mich überhaupt erst auf die Idee gebracht. Ich bin nachts zu ihnen
rübergegangen und habe ein Dutzend davon gepflückt und meiner Köchin eine
kleine Zulage bezahlt, damit sie eine schöne Pastete daraus macht. Sie kann
doch Amanita nicht von ihrem Arsch unterscheiden. Ein Glück für sie,
dass sie das Zeug nicht erst abgeschmeckt hat.«
    »Das muss ich Ihnen lassen: Sie sind
ganz schön clever«, sagte ich, während mein Gehirn fieberhaft arbeitete. Hinter
mir endete der Flur links um die Ecke in einem kleinen Wurmfortsatz, an dem auf
der einen Seite der Kopierraum und auf der anderen die Teeküche lag. Wenn ich
bis hinter die Ecke kam, war ich zwar aus der Schusslinie, aber dafür würden
sich ein paar andere Probleme stellen, von denen ich nicht wusste, ob ich sie
lösen konnte. Erstens würde ich selbst kein übersichtliches Schussfeld mehr
haben, und zweitens würde ich in der Falle sitzen. Aber in der Falle saß ich so
auch. Die Küche hatte ein kleines Fenster. Wenn ich bis dorthin kam, würde ich
mit etwas Glück die Scheibe herausschlagen und um Hilfe schreien können.
Vielleicht hatte ja keiner unser kleines Duett für zwei Pistolen gehört. Wenn
ich ihn dazu bringen konnte weiterzureden, würde er es vielleicht nicht
mitkriegen, wenn ich meine Position wechselte. »Ich finde es erstaunlich, dass
Ihnen nicht irgendwann unterwegs ein Fehler unterlaufen ist«, sagte ich.
Solange ich hier in der Klemme saß, konnte ich ebenso gut versuchen, ihn ein
bisschen auszuhorchen.
    Zögernd sagte er: »Einer ist mir
unterlaufen.«
    »Echt? Wann?«
    »Einen Abend habe ich mich mit Curtis
besoffen und dann mein großes Maul nicht halten können. Ich kann es immer noch
nicht fassen, dass mir das passiert ist. Sobald es raus war, wusste ich, dass
ich ihn irgendwann beseitigen musste.«
    »Großer Gott«, sagte ich. »Soll das
etwa heißen, dass er tatsächlich einmal die Wahrheit gesagt hat?«
    Barney lachte im Dunkeln. »Ganz und
gar. Er dachte, das müsste sich doch irgendwie zu Geld machen lassen. Er ist
direkt zu Ken Voigt marschiert und hat es weitergetratscht. Und Voigt hat
prompt angefangen, ihm Geld zu geben, um ihn sich als Zeugen zu sichern. Dieser
Idiot.«
    Ich schloss die Augen. Voigt war ein Idiot. So wild entschlossen, seinen Prozess zu gewinnen, dass er seine
eigene Glaubwürdigkeit riskierte. »Und was ist mit mir? Steckt hinter dieser
ganzen Sache hier irgendeine Absicht, oder tun Sie das alles nur aus Jux?«
    »Wenn Sie’s genau wissen wollen: Ich
will Sie dazu bringen, Ihre Munition zu verschießen, damit ich Sie dann
erledigen kann. Ich habe Curtis mit einer H&K erschossen, so einer wie die,
die Sie da haben. Für Sie werde ich die Achtunddreißiger nehmen, die ich bei
Isabelle benutzt habe, und die werde ich ihm dann in die Hand drücken. Auf
diese Weise wird es aussehen, als hätte er Sie erschossen...«
    »Und ich ihn«, vollendete ich seinen
Satz. »Schon mal was von Ballistik gehört? Sie werden herauskriegen, dass die
Kugel nicht aus meiner Waffe stammt.«
    »Bis dahin bin ich weg.«
    »Schlau.«
    »Sehr schlau«, sagte er, »was man von
den meisten Leuten nicht behaupten kann. Die Menschen sind wie Ameisen. So
eifrig, so vollauf mit ihrer kleinen Welt beschäftigt. Gucken Sie sich einmal
einen Ameisenhaufen an. So ein Gekrabbel. Man sieht genau, dass das aus der
Ameisenperspektive alles furchtbar wichtig scheint. Ist es aber nicht. In
Wirklichkeit ist es völlig schnuppe. Sind Sie schon einmal auf eine Ameise
getreten? Haben Sie schon einmal eine mit dem Daumen zerquetscht? Da leidet man
doch nicht weiter unter Gewissensbissen. Man denkt, ha, erwischt. Und genauso
ist das bei Menschen auch.«
    »Du meine Güte. Das ist ja wirklich
tiefsinnig. Ich schreibe mit.«
    Das brachte ihn auf die Palme, und er
feuerte zwei Kugeln ab, die sich rechts von mir in den Teppichboden bohrten.
Ich zahlte sie ihm beide heim, einfach nur aus Daffke.
    »Sie sind so naiv«, sagte er. »Sie
halten sich für ungeheuer abgebrüht, aber Sie haben sich so leicht übertölpeln
lassen.«
    »Keine voreiligen Schlüsse«, sagte ich.
Ich glaubte, seinen Kopf in
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