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Morgendaemmerung der Liebe

Morgendaemmerung der Liebe

Titel: Morgendaemmerung der Liebe
Autoren: Penny Jordan
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1. KAPITEL
    Jessica atmete tief durch, ehe sie das Haus ihrer Cousine betrat. Es kostete sie jedes Mal unendlich viel Kraft, einem Mitglied ihrer Familie gegenüberzutreten. Zu schmerzlich waren die Erinnerungen, die sie in diesen Momenten immer wieder einholten.
    „Es ist so schön, dich hier zu haben, Jessica. Wir freuen uns wirklich, dass du kommen konntest.“ Beth umarmte sie herzlich. „Es ist so lange her, dass wir uns gesehen haben. Du siehst abgespannt aus. Onkel Mark erwähnte schon, wie hart du arbeitest.“
    „So furchtbar viel arbeite ich nicht. Mark übertreibt doch immer, das weißt du“, entgegnete Jessica warmherzig. Nie würde sie ein böses Wort über ihren Stiefvater sagen, sie liebte Mark wie einen eigenen Vater.
    Die Einladung, das Wochenende bei ihrer Cousine und deren Mann in Bristol zu verbringen, hatte gerade noch in ihren übervollen Terminkalender gepasst. Und jetzt war sie hier … Sie unterdrückte das mulmige Gefühl, das seit ihrer Ankunft stetig in ihr gewachsen war.
    „Erzähle mir von meiner Patentochter“, bat Jessica. „Es ist schließlich fast sechs Monate her, seit ich Sarah zuletzt gesehen habe.“
    „Und wessen Schuld ist das?“, konterte Beth vorwurfs voll. „ Wir sind zu Weihnachten nach Queensmeade gefahren. Warum bist du nicht gekommen? Deine Mutter war bitterlich enttäuscht.“
    In Jessicas Augen trat der Ausdruck von Schuldbewusstsein und vertrieb für einen Moment die Verschlossenheit aus ihrem Blick. „Das Geschäft“, führte sie als Begründung an. „Ich hatte gehofft, ich würde es schaffen, Weihnachten mit der Familie zu feiern. Aber ich bekam einen Auftrag in New York, den ich unmöglich absagen konnte.“
    Ihre eigene Stimme zu hören, so kühl und distanziert, hätte sie fast auflachen lassen. Sie entwarf hier absichtlich ein völlig falsches Bild von sich. Aber das machte sie schon so lange, dass es ein Teil von ihr geworden war.
    Jeder in ihrer Familie sah in ihr die erfolgreiche und nüchterne Geschäftsfrau, ein Eindruck, den sie sich hart erarbeitet hatte. Mit einem Blick auf die langen lackierten Nägel seufzte sie still. Früher war sie eine Range gewesen, wild und keck, die frei über das große Anwesen von Queensmeade tobte. Doch das war inzwischen mehr als zehn Jahre her, und zwischen dem unbeschwerten Kind von damals und der Frau, die sie heute war, lag eine Kluft, die keine Brücke jemals überwinden würde.
    Genau so wollte sie es auch haben.
    „Morgen kannst du dich wieder mit meiner Tochter anfreunden.“ Beth ließ sich nicht ablenken. „Erzähl mir lieber von dir. Onkel Mark ist schrecklich stolz auf dich. Sogar noch mehr als auf Jake, glaube ich fast. Ich hab übrigens den Artikel in ‚Homes and Gardens‘ letzte Woche gelesen. Die Räume, die du eingerichtet hast … die Fotos sind einfach fantastisch!“
    Ja, dieser Auftrag war ihr wirklich gut gelungen. Und er hatte ihr zudem viele zusätzliche Aufträge als Innenarchitektin eingebracht. Jessica bereute es nicht, dass sie sich auf antike Lacktechniken und traditionelle Aspekte der Inneneinrichtung spezialisiert hatte. Sie hatte einen hervorragenden Ruf in der Branche, wenn es um Marmorverkleidungen, Mosaike, Stuck und Strukturputz ging.
    „Wenn du schon hier bist, werde ich die Gelegenheit nutzen und dich mit Fragen bombardieren“, gab Beth offen zu. „Als wir hier einzogen, hatten wir alle möglichen Pläne. Doch Richard ist so beschäftigt, dass wir noch nicht einmal dazu gekommen sind, eine neue Tapete auszusuchen.“
    Richard, Beths grundsolider Mann, hatte vor einiger Zeit beschlossen, seinen festen Job aufzugeben und sich selbstständig zu machen. Da Jessica diese Phase selbst durchgemacht hatte, konnte sie sich bestens vorstellen, dass die Einrichtung des kürzlich gekauften Hauses für ihn im Moment zu den unwichtigsten Dingen zählte.
    „Wir gehen morgen zusammen von Raum zu Raum“, versprach Jessica und erntete dafür ein erfreutes Lächeln von ihrer jüngeren Cousine.
    „Manchmal beneide ich dich richtig.“ Beth seufzte leise. „Du siehst immer so gepflegt und elegant aus.“
    Jessica zuckte die schmalen Schultern. „Das ist nur eine Fassade, die ich für mein Geschäft brauche. Aber im Grunde habe ich mich nicht geändert.“
    Beth hob den Blick, um ihrer Cousine in die Augen zu sehen. Diese Augenfarbe, ein so dunkles Blau, dass es fast violett wirkte, hatte sie schon als Kind fasziniert. „Es ist lange her, seit du das letzte Mal auf Queensmeade warst,
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