Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
Lonnies Tür auftauchen zu sehen. Ich schoss noch
zwei Mal.
    Er verschwand. »Daneben.«
    »Sehr bedauerlich.« Ich zog das Magazin
heraus und zählte die Patronen per Fingerspitzengefühl. Die ganze schöne
Munition drüben in meinem Büro.
    »Irgendwelche Probleme da drüben?«
    »Ich habe mir einen Fingernagel
abgebrochen.«
    Er schwieg einen Moment. »Seien Sie sparsam
mit Ihrer Munition. Sie haben nur noch einen Schuss.«
    »Quatsch. Ich habe noch zwei.«
    Er lachte ins Dunkel. »Na, klar. Nichts
da.«
    Ich schwieg. Dann sagte ich: »Was macht
Sie da so sicher?«
    »Ich kann doch zählen.«
    Ich ließ kurz den Kopf auf den Boden sinken
und sammelte meine letzten Kräfte. Zeit, in die Gänge zu kommen, dachte ich.
Ich streifte meinen linken Schuh ab und stellte ihn vorsichtig vor mir auf den
Boden. Dann streifte ich den rechten ab, wobei mir vor brennendem Schmerz in
der Hüfte die Augen wegkippten. Ich fühlte, wie sich eine seltsame Taubheit
über meiner einen Seite ausbreitete, und bekam es nicht auf die Reihe, wie sich
Schmerz und Garnichts ein und dieselbe Nervenbahn teilen können. »Es waren erst
sieben«, sagte ich.
    »Es waren acht .«
    »Meine ist zehnschüssig«, sagte ich
bedächtig. Ich begann, vorsichtig auf die Flurecke zuzurobben.
    »Zehnschüssig. So ein Schwachsinn. Sie
sind ein verlogenes Stück«, sagte er.
    »Ach, ja? Was für eine Waffe haben Sie
denn?«
    »Eine Walther. Achtschüssig. Ich habe
noch zwei.«
    »Nein, haben Sie nicht. Sie haben noch
einen. Ich kann auch zählen, Mr. Maulheld.« Ich schob mich, mit dem Fuß nach
hinten tastend, zentimeterweise rückwärts, immer näher an die Ecke heran. David
Barney schien meine Positionsveränderung nicht zu bemerken.
    »Mich können Sie nicht verarschen. Ich
habe meine Hausaufgaben gemacht. Ich weiß alles über Sie.«
    »Zum Beispiel?«, fragte ich. Ich
erreichte die Ecke und schob mich um sie herum, bis nur noch ein Stück von
meinem Oberkörper auf der Flurseite war. David Barney war jetzt etwa zehn
Schritt von mir entfernt. Ich lag auf der rechten Seite, und meine Jeans waren
blutdurchtränkt. Ich sah an mir herunter. Meine Hüfte glühte. Ich stemmte mich
auf den einen Ellbogen hoch. Ich hatte mit meinem vollen Gewicht auf meinem
Schlüsselbund gelegen und dadurch die kleine Taschenlampe aktiviert, die wie
ein abgeplattetes Oval geformt war und auf Druck reagierte. Ich zog vorsichtig
die Schlüssel aus meiner Jeanstasche und fummelte das Lämpchen vom Ring. Dann
schob ich die Schlüssel seitwärts von mir, voller Angst, sie könnten klimpern.
    »Zum Beispiel Ihre Lügerei. Da sind Sie
doch mächtig stolz drauf.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Man kommt eben herum. Es ist wirklich
erstaunlich, was man im Gefängnis so alles aufschnappt.«
    »Ich wette, Sie sind auch kein
Waisenknabe, was das Lügen angeht«, sagte ich. »Wahrscheinlich haben Sie neun
Schuss.«
    Er schien tatsächlich geschmeichelt.
»Wer weiß?«, sagte er.
    »Wieso wussten Sie so genau, dass ich
hierher kommen würde?« Ich stemmte mich auf Hände und Knie hoch.
    »Wissen Sie das noch nicht? Sie haben
Curtis doch selbst gesagt, dass Sie Ihre Pistole hier liegen haben. Deshalb
habe ich dafür gesorgt, dass er Sie zum Vogelschutzgebiet bestellt. Ich wusste,
dass Sie da niemals ohne Ihre Knarre hingehen würden.«
    Bring es hinter dich, sagte ich mir.
Ich richtete mich in eine halbe Hockposition auf, wie ein Läufer am Start. In
meinem Hintern zuckte Schmerz.
    Ich hörte ihn hinter mir sagen: »Sind
Sie noch da?«
    Ich antwortete nicht.
    »Wo sind Sie?«
    Ich hinkte auf meinen bestrumpften
Füßen, so schnell ich konnte, zum Eingang der Teeküche. Von dem Licht draußen
war der Raum dumpfgrau erhellt. Ein Blick sagte mir, dass es hier kein Versteck
gab. Ich machte kehrt und hastete zum Kopierraum gegenüber. Ich schlich mich in
die entfernteste Ecke und kauerte mich neben den Kopierer, den Rücken zur Wand.
Das rechte Bein zu beugen tat so weh, dass ich die Zähne fest zusammenbeißen
musste. Ich schaffte es, mich hinzusetzen, die Pistole in der rechten Hand und das
Taschenlämpchen in der linken. Meine Hände waren glitschig vor Schweiß und
meine Finger kalt.
    »Kinsey?« Aus dem Flur. Gleich würde er
dahinter kommen, wo ich war, und mir nachsetzen.
    Ich saß zwischen Kopierer und Wand
gequetscht, die Knie angezogen. Ich wollte so wenig Angriffsfläche wie möglich
bieten, aber hier in diesem Eckchen zu hocken war vielleicht doch nicht die
beste Idee. Eine Kugel, und es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher