Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreimond - Das verlorene Rudel

Dreimond - Das verlorene Rudel

Titel: Dreimond - Das verlorene Rudel
Autoren: Viola L. Gabriel
Vom Netzwerk:
Kaltschnauze und eine drückend schwere Stille kroch durch die Rotburg, erfasste und erfüllte jeden Wolf, der die Worte des Beraters hören musste.
    Dornstern. Horniss. Eisenfell. Und Alkarn.
    Die Schultern des Herrschers waren in sich zusammengesunken, die Lippen zitterten, als er leise, so als hätte er nicht begriffen, was geschehen war, nur einen Namen raunte.
    »Neuschnee …?«
    Horniss nickte.
    »Wir haben sie gefunden. Begraben unter Steinen. Wie Bluter und zehn unserer Wächter …«
    Dornstern schwankte. Eisenfell stützte sie.
    »Aber … warum?«
    Ein leises, verzweifeltes Schluchzen drang aus der hintersten Ecke des Turmzimmers.
    Zusammengekauert kniete Blitzschweif am Boden.
    »Sie … sie hat uns verraten! Sie wollte, dass ich mit ihr komme, mit ihr und Schattenklaue …! Aber … ich wollte doch hierbleiben …! Bei Vater und …«
    Er vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Schattenklaue …«, flüsterte Kaltschnauze, und es klang so schwach, so schwer getroffen, dass man ihn kaum verstehen konnte, »hat sie auf seine Seite gezogen. Er hat sie benutzt, um uns zu entkommen! Dann hat er sich ihrer entledigt. Er hat sie zurückgelassen, als er die Verfolger hörte. Hat sie geopfert, um seinen Erzfeind zu töten …«
    Eisenfell ballte die Fäuste. Alkarns Gesicht war totenbleich.
    »Ich … habe die Wächter …«, stammelte Blitzschweif.
    »… aber … ich wollte doch nicht …!«
    »Du hast das Richtige getan!«, rief Horniss, heiser vor Zorn.
    Kaltschnauze nickte. »Wer weiß, was Schattenklaue dem Kind angetan hätte? Er hat uns verspottet, verraten, bestohlen und nun … nun ist die Alkarnswölfin …«
    Der blasse Wolfsmann zuckte zusammen, als Alkarn brüllend mit der Hand ausholte und all die Laternen von der hölzernen Tafel fegte. Scheppernd krachten sie zu Boden. Glas zersplitterte. Öl besudelte Holz und Stein.
    »Wir werden ihn finden!«, rief Alkarn donnernd, dass es bis zum Burghof drang.
    Dornstern trat an seine Seite.
    Kaltschnauze wartete, bis der Atem des Leitwolfs ruhiger wurde. »Das werden wir. Ihre Spur ist noch frisch … und sie wird uns zur Kralle führen.«

Kapitel 20
    Familienbande
     
     
     
    F iona strich sanft über die rauen Halme, die das Licht, das hier und da in zarten Strahlen seinen Weg durch Holz und Schindeln fand, in ein warmes Goldgelb tauchte. Sie hob den Kopf, damit ein bisschen Sonne auch ihre Haut berührte, sog den Duft der schützenden Strohballen ein, und konnte selbst kaum glauben, es bis hierher geschafft zu haben. Es war warm und still auf dem Scheunenboden.
    Sie saß an seiner Seite, als Serafin die Augen auftat und ahnte, dass er schon lange heimlich wach gewesen war, denn der Blick, mit dem er sich umsah, war klar und ruhig.
    »Wo sind wir?«, war seine erste Frage.
    Fiona lächelte ihn an.
    »Ein Scheunenboden, ein gutes Stück fort vom Satorwald. Die Bauern glauben, wir wären überfallen worden. Darum haben sie uns aufgenommen.«
    Ihr Lächeln verschwand jäh, als sie sich fragte, ob die Leute wohl ebenso hilfsbereit gewesen wären, hätten sie gewusst, dass sie drei Werwölfen Unterschlupf gewährten.
    »Carras …?«, flüsterte Serafin.
    »Unten bei den Leuten«, erklärte Fiona. »Er wollte bei dir bleiben, aber die Bäuerin hat einen Narren an ihm gefressen und …«
    »Lex?«
    »Hält draußen Wache.«
    Der Wolfsmann nickte, schwieg und starrte zu den Balken, die stumm und dunkel das Schindeldach hielten.
    Fiona grub die Hände ins Stroh. Er fragte nicht nach Neuschnee.
    Er wusste es.
    Nur, wie viel hatte er mitbekommen von all dem, was geschehen war? Hatte er gehört, was die Weiße ihm gestanden hatte? Wusste er, wie sie umgekommen war? Fionas Augen füllten sich mit Tränen, als sie an die furchtbaren, grollenden Steinmassen dachte, und daran, wie sie alle verzweifelt versucht hatten, zu Neuschnee vorzudringen – vergebens.
    Plötzlich riss es sie auf die Beine.
    »Hör zu, ich … Es tut mir alles so leid!«
    Unbeholfen griff sie nach Serafins Händen. Er drückte sie und ließ sie sofort wieder los.
    »Wir müssen fort von hier«, sagte er leise und setzte sich mühsam auf.
    »Wie …? Jetzt?«, stammelte sie und wischte sich hastig die Tränen aus dem Gesicht. »Das geht nicht! Du bist verletzt und …«
    Schon stemmte er sich auf die Beine.
    Fiona streckte die Arme aus und wollte ihn stützen.
    Doch wenngleich sich die Anstrengung in Serafins Zügen abzeichnete, schüttelte er abwehrend den Kopf. Es gelang
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher