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Dreikönigsmord (German Edition)

Dreikönigsmord (German Edition)

Titel: Dreikönigsmord (German Edition)
Autoren: Bea Rauenthal
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sommerlich warm geworden. Sie hatte viel Zeit im Freien verbracht, und die Sonne hatte ihre Haut gebräunt, was einen – wie Jo fand – hübschen Kontrast zu ihrem neuen, geblümten Sommerkleid bildete. Sorgfältig schminkte sie ihre Lider und ihre Lippen in einem passenden Farbton.
    Während der Therapie bei Doktor Meyerhoff hatte sie ihre Komafantasien aufgearbeitet. Diese hatten, so der Psychiater, ihren Ursprung in jener missglückten Geiselbefreiung. Bischof Leonard, so hatte Doktor Meyerhoff diagnostiziert, stand für das nicht bewältigte Trauma, das sie damals erlitten hatte. Es hatte sie am Leben gehindert. Was dadurch symbolisiert wurde, dass die Traumfigur Leonard sie habe töten wollen. Ihr Unterbewusstsein habe ihr den Weg zur Heilung gewiesen, indem sie sich während der Messe dem Bischof gestellt habe. Äbtissin Agneta symbolisierte dagegen zwei wichtige Menschen aus Jos Leben. Ihre Chefin Brunhild Birnbaum und ihre Großmutter. Beides starke, dominante Frauen, deren Ansprüchen Jo oft glaube, nicht genügen zu können.
    Je mehr es Jo gelungen war, sich von ihrem Trauma und von der Fantasie-Welt ihres Komas zu lösen, desto besser hatte sie wieder in ihr altes Leben zurückgefunden. Sobald sie Besuch empfangen durfte, war Friedhelm fast täglich bei ihr im Krankenhaus gewesen, und auch in der achtzig Kilometer entfernten Reha-Klinik suchte er sie häufig auf. Anfangs war er Jo sehr fremd gewesen. Wie so vieles, seit sie zu sich gekommen war.
    Doch Doktor Meyerhoff hatte sie beruhigt. »Nach einem so traumatischen Erlebnis, wie es ein schwerer Unfall darstellt, und nach den Wochen im künstlichen Koma ist es völlig normal, dass Ihnen Ihr bisheriges Leben fremd sein wird«, hatte er ihr versichert. »Geben Sie sich und den Menschen, die Ihnen nahestehen, Zeit.«
    Tatsächlich hatte sich Jo im Laufe der Wochen immer mehr auf Friedhelms Besuche gefreut. Doktor Meyerhoff hatte dies mit einem ermutigenden Lächeln zur Kenntnis genommen. Geschlafen hatten sie noch nicht wieder miteinander. Aber früher oder später würden sie es gewiss tun. Was Jos Mutter und Großmutter betraf, gestaltete sich ihr Verhältnis auch nach der ersten Fremdheitsphase schwierig. Aber das ist, dachte Jo, ja eigentlich auch die Normalität.
    Die Türglocke läutete. Ein Blick auf ihre Armbanduhr zeigte Jo, dass Friedhelm wie immer pünktlich auf die Minute war. Nach einem letzten, raschen Blick in den Spiegel griff sie nach ihrem Sommermantel und ihrer Handtasche und eilte aus der Wohnung.
    Friedhelm wartete im Garten vor der Haustür. Er trug eine lässige Designer-Jeans und ein weißes T-Shirt, das seine Bräune gut zur Geltung brachte. Sonst stand Jo nicht so sehr auf zurückgegelte Haare. Aber Friedhelm, musste sie zugeben, wirkte damit ausgesprochen attraktiv. Zur Begrüßung küssten sie sich auf die Wangen. Jo hakte sich bei ihm unter, während sie zu seinem Porsche-Cabriolet gingen, das mit zurückgeklapptem Verdeck unter den alten Kastanien am Straßenrand stand.
    »Ich möchte dich gerne einladen, um deine Genesung und deine Rückkehr morgen in den Dienst zu feiern«, sagte Friedhelm und lächelte sie an. Er war wirklich ein sehr gutaussehender Mann … »Es ist dein Abend. Also wähl du bitte das Restaurant aus.« Der Geruch seines Aftershaves, Sandelholz mit einer leichten Citrus-Obernote, stieg Jo in die Nase und erfüllte sie mit einem angenehmen Prickeln.
    Jo dachte kurz nach. »Was hältst du davon, wenn wir im Restaurant des Klosters Waldungen essen?«, meinte sie dann.
    »Ausgerechnet dort?« Er musterte sie besorgt. »Weckt das nicht schlimme Erinnerungen?«
    »Bitte, lass uns dorthin fahren.« Jo war sich plötzlich ganz sicher. »Seit dem Unfall war ich nicht mehr in dem Kloster. Ich möchte gerne mit all dem abschließen, um mein Leben endlich neu beginnen zu können.«
    »Natürlich, das kann ich schon verstehen …«, lenkte er ein, ehe er ihr die Beifahrertür öffnete.
    Jo ließ sich in den weichen Ledersitz sinken. Auch er duftete – so schien es ihr – dezent nach Aftershave. Friedhelm schob eine CD in den Player. Klassische Klänge ertönten, während sie durch die Straßen fuhren. Es war derselbe Weg, den Jo und Lutz Jäger damals an jenem Dezembertag genommen hatten. Durch die Stadt. Dann in Serpentinen die Weinberge hinauf. Nur dass die Rebstöcke jetzt nicht kahl und von Schnee überhaucht waren, sondern Blätter und kleine Trauben trugen. Weit unten schimmerte der Fluss im Dunst der
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