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Dreikönigsmord (German Edition)

Dreikönigsmord (German Edition)

Titel: Dreikönigsmord (German Edition)
Autoren: Bea Rauenthal
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war häufig hier.«
    O Gott, Friedhelm … Plötzlich nahm Jo wahr, dass der leise lateinische Gesang immer noch durch den Raum schwebte. »Die Musik …«, flüsterte sie.
    Frau Doktor Heuner begriff. »Das ist eine CD mit gregorianischen Gesängen«, erklärte sie. »Wir haben festgestellt, dass diese Musik Sie zu beruhigen schien. Immer, wenn wir die CD anstellten, wurde Ihr Herzschlag langsamer und gleichmäßiger.«
    Sie hatte gregorianische Gesänge und deren getragene Feierlichkeit nie gemocht.
    Jo spürte, wie Schläfrigkeit von ihr Besitz ergriff. Die Ärztin beugte sich über sie. »Zweimal fürchteten wir, Sie zu verlieren, und mussten Sie mit Elektroschocks zurückholen. Aber nun wird alles wieder gut.« Ihr lächelndes Gesicht wurde plötzlich ganz undeutlich.
    »Oh, seht einmal, dort unten im Garten sind die Heiligen Drei Könige mit ihrem Stern unterwegs«, vernahm Jo noch eine andere Stimme, dann schlief sie endgültig ein.
    Sie fror, der Gestank von fauligem Stroh kroch in ihre Nase. Sie begriff: Sie befand sich wieder in ihrem Kellerverlies. Leonard würde sie als Hexe verbrennen lassen. Sie sprang auf, wollte weglaufen. Doch eine eiserne Fessel um ihren Knöchel hielt sie unerbittlich fest. Sie zerrte daran, schrie um Hilfe …
    »Frau Weber, können Sie mich hören? Frau Weber?«
    Mühsam öffnete Jo die Augen. Ein hochgewachsener Mann um die fünfzig beugte sich über ihr Bett. Er trug einen weißen Arztkittel über seinem blau-weiß gestreiften Hemd und der Jeans. Sein blondes Haar war sorgfältig gescheitelt. »Frau Weber … Mein Name ist Doktor Clemens Meyerhoff. Ich bin der Psychiater dieses Krankenhauses.« Er lächelte sie an. Hier lächelten alle … Ständig … »Haben Sie eben einen Albtraum durchlitten?« Das Neonlicht spiegelte sich in seinen goldumrandeten Brillengläsern.
    »Ich war wieder im Mittelalter«, flüsterte Jo. »In einem Verlies. Ein Bischof namens Leonard hatte mich eingesperrt. Er war ein Serienmörder und wollte mich als Hexe verbrennen lassen.«
    Doktor Meyerhoff nickte und setzte sich neben das Bett. »Nun, das hört sich ja äußerst interessant an. Möchten Sie mir noch mehr darüber erzählen?«
    »Nach dem Autounfall erwachte ich im Mittelalter«, sagte Jo mühsam. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Draußen war es dunkel geworden, der hellerleuchtete Raum spiegelte sich in der Fensterscheibe. »Ich war die Witwe eines Zunftmeisters … Eines Webers … Agneta, die Äbtissin des Klosters Waldungen, bat mich und Lutz Jäger, den Mord an einem jungen Mann aufzuklären. Er hieß Anselm. Leonard hatte ihn umgebracht, wie wir schließlich herausfanden.« Wie absurd sich das alles doch anhörte …
    »Wirklich ausnehmend interessant, Ihr Traum.« Doktor Meyerhoff nickte. »Und sehr viele aussagekräftige Symbolfiguren. Damit werden wir gut arbeiten können.«
    »Aber es war kein Traum … Ich habe das alles erlebt«, protestierte sie.
    »Natürlich haben Sie geträumt.« Er lächelte wieder. »Denn, Frau Weber, wenn es kein Traum gewesen wäre, wären Sie in der Zeit gereist. Und das ist nun einmal für uns Sterbliche unmöglich.«
    Jo starrte in das kalte Licht der Deckenbeleuchtung. Hatte er recht? War es wirklich unmöglich, in der Zeit zu reisen?
    »Es ist ganz normal, dass für Sie, nach einer so langen Zeit im künstlichen Koma, die Grenzen zwischen Einbildung und Realität verschwimmen«, sprach Doktor Meyerhoff weiter. »Auch wenn ein Traum natürlich – das will ich gar nicht in Abrede stellen – eine gewisse eigene Realität besitzt. Eine Traum-Realität sozusagen, geschaffen von unserem Unterbewusstsein. Das wiederum einen wichtigen Schlüssel zu unserem Bewusstsein darstellt.«
    Hinter der gläsernen Trennscheibe erschien nun Frau Doktor Heuner, die blonde Ärztin. Auf einen Wink des Psychiaters hin trat sie ins Zimmer. Sie wechselte einige leise Worte mit Clemens Meyerhoff, die Jo nicht verstand. Daraufhin erhob er sich. Wieder ein Lächeln … »Wann immer Sie mit mir über Ihren ›Traum‹ sprechen möchten, Frau Weber, bin ich für Sie da.«

EPILOG

    o betrachtete sich kritisch im Badezimmerspiegel. Ihre Nase stand – als Folge des Unfalls – leicht schief. Positiv ließ sich dagegen vermerken, dass sie während der Zeit im Krankenhaus stark abgenommen und in der Reha-Klinik nur in Maßen zugenommen hatte. Ihr ehemaliges Wunschgewicht unterbot sie nun um zwei Kilo. Vor einigen Tagen war das Wetter nach einem verregneten Frühjahr endlich
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