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Dreikönigsmord (German Edition)

Dreikönigsmord (German Edition)

Titel: Dreikönigsmord (German Edition)
Autoren: Bea Rauenthal
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rangen vor dem Lettner mit einigen Männern. Herberts Blick war auf Jörg Schreiber gerichtet, der einen Dolch hoch über seinem Kopf schwang. Die Waffe löste sich aus Schreibers Hand, flog durch die Stäbe des Lettners und durch den Altarraum, direkt auf Lutz zu.
    »Lutz! Achtung!«, schrie auch Jo. Doch er war ganz auf Leonard konzentriert, der mit seiner Waffe auf ihn eindrang. Verzweifelt schnellte sie vor und warf sich gegen seine Beine. Sie hörte den Dolch durch die Luft zischen. Gleichzeitig brach Lutz neben ihr zusammen. Zu spät, sie hatte wieder zu spät reagiert …
    »Lutz …« Sie warf sich auf ihn. »Lutz …« Ein trockenes Schluchzen schüttelte sie. Es war ihre Schuld, dass er tot war.
    Aber … was war das? Lutz regte sich unter ihr, starrte sie verblüfft an. Ein stöhnendes Keuchen ließ Jo aufblicken. Leonard stand vor dem Altar. Seine Hände hielten den Griff des Dolchs umklammert, der tief in seiner Brust steckte. Ein Blutschwall drang aus seinem Mund, während er sterbend in die Knie sackte und die Altarstufen hinunterrollte.
    Jo fühlte, wie sich Lutz’ Arme um sie legten. Das Schreien und Toben der Menge wurde leiser. Die Farben ringsum verblassten, und der Altarraum verschwamm vor ihren Augen, löste sich schließlich ganz auf. Schwärze senkte sich über sie.
    Sie fiel und fiel und fiel … Das Letzte, das Jo noch bemerkte, war, dass ein Strudel sie erfasste und sie von Lutz weggerissen wurde.
    Leiser lateinischer Gesang drang an Jos Ohren. Befand sie sich etwa immer noch im Mittelalter? Hatte sie nur geträumt, dass Leonard von Jörg Schreibers Dolch getötet worden war, und würde sie in einer Zelle des bischöflichen Palasts zu sich kommen, nur um gleich auf den Scheiterhaufen geschleppt zu werden? Piep … Piep … Piep … Ein Geräusch mischte sich in den Gesang. Laute, die sehr technisch und gar nicht mittelalterlich klangen.
    Jo riss die Augen auf. Durchdringendes weißes Licht aus einer Neonröhre an der Decke blendete sie. Der scharfe Geruch von Desinfektionsmitteln stach in ihre Nase. Sie blinzelte. Eine Batterie von Geräten stand neben dem Bett, in dem sie lag. Dahinter befand sich ein großes Glasfenster. Richtiges, durchsichtiges Glas, durch das Jo einen bewölkten Himmel und kahle Bäume erkennen konnte.
    »Frau Weber kommt zu sich«, vernahm Jo nun eine leise Stimme. Eine große blonde Frau schob sich in ihr Blickfeld. »Frau Weber … Können Sie mich sehen und hören?«, fragte sie.
    »Ja«, wollte Jo antworten. Doch es fiel ihr zu schwer, die Lippen zu bewegen. Deshalb nickte sie nur. Die Frau zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett. Sie trug einen langen blauen Kittel. Noch zwei andere Frauen und ein Mann hielten sich in dem Raum auf, die ebenfalls in diese irgendwie priesterlich wirkenden Gewänder gekleidet waren.
    »Frau Weber, Sie hatten einen schweren Autounfall«, redete die Frau weiter. »Können Sie sich daran noch erinnern?«
    Ja, daran erinnerte sie sich allerdings … Wieder nickte Jo mühsam. Nun bemerkte sie, dass ihr rechtes Bein geschient war. Ihr rechter Arm lag angewinkelt über ihrer Brust. Auch ihn konnte sie nicht bewegen. Über dem Gesicht trug sie eine Art Maske. Die Frau schien ihr Erschrecken zu spüren, denn sie ergriff Jos unverletzte Hand. »Ihre Verletzungen waren so gravierend, dass wir Sie für einige Wochen in ein künstliches Koma versetzen mussten. Aber nun sind Sie über den Berg.« Sie lächelte Jo aufmunternd an. »Sie befinden sich im Katharinen-Hospital. Mein Name ist Doktor Heuner. Ich bin Ihre behandelnde Ärztin.«
    Lutz Jäger! , durchfuhr es Jo. Was war mit ihm? »Mein Kollege …«, brachte sie mühsam über die Lippen.
    »Er erlitt ebenfalls so schwere Verletzungen, dass er in ein künstliches Koma versetzt werden musste. Aber heute Morgen erhielten wir die Nachricht aus dem Georgen-Krankenhaus – dorthin wurde er nach dem Unfall gebracht –, dass er wieder zu sich gekommen ist. Auch er befindet sich auf dem Weg der Besserung.«
    Während die Ärztin Jo erneut aufmunternd anlächelte, erhob sie sich. Sie trat zu einer Maschine, die über einen dünnen Schlauch mit einer Nadel in Jos linkem Arm verbunden war, und machte sich daran zu schaffen. »Aber nun ist es an der Zeit, dass Sie wieder eine Weile schlafen«, sagte sie sanft, aber bestimmt. »Morgen können Sie vielleicht schon für einige Minuten Besuch empfangen. Ihre Mutter und Ihre Großmutter möchten Sie unbedingt sehen. Und auch Doktor Seidel
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