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Dreikönigsmord (German Edition)

Dreikönigsmord (German Edition)

Titel: Dreikönigsmord (German Edition)
Autoren: Bea Rauenthal
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einer schmalen, steinernen Wendeltreppe. Die Stufen führten sie in den rückwärtigen Teil des rechten Seitenschiffs.
    Plötzlich glaubte Jo zu hören, wie sich in den getragenen lateinischen Gesang gedämpfte Schreie und Waffengeklirr mischten. Auch Lutz hatte den Lärm wahrgenommen. »Dieser Mistkerl von Schreiber«, zischte er, »wir müssen uns beeilen!« Mit gesenkten Köpfen eilten sie an den vollbesetzten Kirchenbänken entlang. Da und dort drehten sich Köpfe zu den Kirchenfenstern um, und die Menschen lauschten nach draußen. Getuschel setzte ein.
    Nun konnte Jo die Statue der heiligen Gertrudis sehen. Sie lächelte ihr sanftes, friedvolles Lächeln, als wäre sie niemals entweiht und ihre Reliquie von einem Mörder geraubt worden. Im Altarraum, hinter dem Lettner, stand Leonard mit dem Rücken zum Kirchenvolk. Sonnenlicht fiel durch die hohen Fenster der Apsis. Die Strahlen umgaben ihn wie eine glühende Aureole. Der Gesang verstummte. Langsam hob Leonard eine Hostie aus einer goldenen Schale. Wenn eine katholische Messe ähnlich aufgebaut ist wie eine protestantische Abendmahlfeier, wird es nicht mehr lange dauern, bis Leonard beginnt, den Wein zu wandeln, schoss es Jo durch den Kopf. Sie und Lutz wechselten einen raschen Blick und hasteten vorwärts.
    Sie hatten die Tür in dem Lettner fast erreicht, als plötzlich ein Schrei durch das Schiff hallte: »Lutz Jäger befindet sich in der Kirche! Josepha Weber, die mörderische Hexe, ist bei ihm. Haltet sie auf!«
    Während sie und Lutz auf den Lettner zurasten, riskierte Jo einen schnellen Blick über die Schulter. Jörg Schreiber, der mit seinem blutverschmierten und wutverzerrten Gesicht wie ein Zombie wirkte, stürmte, einen Dolch schwingend, durch das Seitenschiff. Peter und Herbert waren ihm dicht auf den Fersen.
    »Dort vorn am Lettner sind sie!«, gellte wieder Jörg Schreibers Schrei durch das Gotteshaus.
    Die Menschen, die eben noch gekniet hatten, waren aufgesprungen. Für einige Augenblicke schien die Zeit stillzustehen. Während Lutz die Tür in dem Lettner aufriss und Jo hindurchzog, drehte Leonard sich um. Jo konnte einen Blick auf sein Antlitz erhaschen. Es spiegelte Erschrecken und tiefen Hass. Sofort hatte er sich jedoch wieder gefasst und nahm den Weinkelch in die Hand. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Lutz die Lehne eines Gebetsstuhls unter die Türklinke klemmte. »Mach schnell, Jo«, rief er ihr zu. »Klag ihn an!«
    »Dieser Mann dort – Bischof Leonard – hat vier Menschen auf dem Gewissen! Anselm, Frowin, Anna und eine namenlose Bettlerin«, schrie Jo und deutete auf Leonard. »Er verübte diese Taten, weil er das Blut der Getöteten sowie vier Reliquien von Heiligen benötigte, um sich einen Trank zu brauen. Einen Trank, der ihm für immer Unsterblichkeit verleihen soll.«
    »Lüge! Nichts als eine abscheuliche Lüge!«, rief Leonard mit kalter Stimme. »Gott ist mein Zeuge: Wenn an den Worten dieses durch und durch verdorbenen Weibes auch nur das Geringste wahr ist, soll Gott mich auf der Stelle richten.« Er hob den Kelch dem Licht entgegen. Seine Lippen bewegten sich wie im Gebet.
    Er sprach die Wandlungsworte …! Jo stürzte auf ihn zu. Wie aus großer Ferne hörte sie die Menschen brüllen: »Lüge, Lüge!«
    »Die Hexe lügt!«
    »Tötet das verfluchte Weib und ihren Kumpanen!«
    Der hölzerne Lettner erzitterte unter dumpfen Schlägen. Sie spürte mehr, als dass sie sah, dass Lutz sich dicht neben ihr befand.
    Nun hob Leonard den Weinkelch an seine Lippen. Noch einmal blickte er Jo an, während ein triumphierendes Lächeln um seinen Mund erschien. Nein, er durfte diesen Wein nicht trinken!
    Mit aller Kraft stieß sich Jo vom Boden ab. Im Sprung riss sie ihr rechtes Bein hoch. Ihr Fuß traf den Kelch und schleuderte ihn aus Leonards Händen. Wein spritzte in hohem Bogen auf und regnete dann wie Blutstropfen auf den Altar und die Fenster.
    »Verfluchtes Weib!« Leonards Gesicht bildete eine einzige Fratze des Hasses. Blitzschnell bewegte er sich auf Jo zu. Eine Waffe blitzte in seiner Hand auf. Sie wich ihm aus. Sein eigener Schwung riss Leonard zu Boden. Doch Jo verhedderte sich in den Falten ihres Rocks und stürzte ebenfalls.
    Auf den Steinplatten liegend sah sie, dass Lutz ein Messer aus seinem Gürtel riss und sich auf Leonard zubewegte, der schon wieder aufgesprungen war.
    »Lutz, Vorsicht!«, hörte sie plötzlich Herbert durch das Lärmen der zornigen Menge brüllen. Sie wandte den Kopf. Herbert und Peter
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