Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition)
Autoren: David Vann
Vom Netzwerk:
natürlich früher angefangen, im Morgengrauen, wenn es noch kühl war. Und wir haben in aller Stille gearbeitet. Man spürte, wie der Tag aufheizte, und mittags war es wunderbar, ein Päuschen einzulegen, im Schatten des Feigenbaums zu sitzen und Limonade zu trinken.
    Vergiss den Wein nicht, sagte Helen. Damit fing es auch schon früh an.
    Wir haben Limonade getrunken, sagte Galens Mutter. Und Sandwiches gegessen, sie waren so geschnitten, und wir waren eine Familie.
    Bis die Zankerei losging, sagte Helen. Ich weiß nicht recht, wo du die Zankerei unterbringst.
    Hör auf, sagte Galens Mutter. Hör einfach auf. Warum kannst du nicht an die schönen Augenblicke denken?
    Tja, warum wohl? Vielleicht, weil ich nicht das süße Püppchen war? Vielleicht, weil ich älter war und wusste, was gespielt wurde?
    Das ist unfair.
    Aufwachen, kleine Suzie-Q.
    Galen schenkte sich ein Glas Limonade ein und sah sich an, was es zu essen gab. Fleischwurst und Schinken in Plastik, Scheiblettenkäse in Plastik, Salzcracker in Plastik, Schnittbrot in Plastik. Ich glaube, ich esse ein Plastiksandwich, sagte Galen.
    Mom und Dad hatten ihre Meinungsverschiedenheiten, aber du scheinst einfach nicht zu begreifen, dass wir glücklich waren, hier in diesem Haus, bei der gemeinsamen Walnussernte.
    Dad hat Mom geschlagen. Hier in diesem Esszimmer hat er sie geschlagen und in der Küche und in ihrem Schlafzimmer. Was davon begreifst du nicht?
    Er hat sie nie geschlagen.
    Ach, herrje.
    Galen wollte kein Brot mit Senf essen, das war die eine Möglichkeit, und entschied sich für die Cracker. Er nahm eine Handvoll, bröckelte sie in sein halbvolles Glas Limonade, stocherte mit einer Gabel nach, dann trank er die Limonade und löffelte den Rest. Salzig und süß und eigentlich gar nicht so schlecht.
    Seine Mutter war noch mit ihrem Sandwich zugange, und anscheinend war genug Zeit, also machte er sich noch ein Glas. Diesmal etwas crackerlastiger, breiiger, mit mehr Substanz. Eine ordentliche Mahlzeit zum Auftakt eines langen Arbeitstages.
    Als seine Mutter fertig war, stand sie auf und trug ihren Teller in die Küche. Sie kehrte ins Esszimmer zurück und sah alle an, die dort saßen. Einen Moment hatte Galen ein schlechtes Gewissen. Weil er so angezogen war und ihr diesen besonderen Tag vermieste. Sie sah gekränkt aus, und das mochte er nicht sehen. Nicht so richtig.
    Ich mache mich an die Gestelle, sagte sie. Wer sich miranschließen möchte, kann das gerne tun. Sie hatte ihr Haar gelockt. Lange braune Wellen. Und sie trug Make-up. Galen fragte sich, ob sie es aufgetragen hatte, weil es ein besonderer Tag war oder weil er sie so früh wachgekräht hatte.
    Und dann war sie weg. Unversehens war er aufgestanden. Grüne Walnuss muss alles wiedergutmachen, sagte er. Grüne Walnuss war sehr ungezogen.
    Halleluja, Bruder, sagte Jennifer.
    Sie hat es verdient, sagte seine Tante. Du bist der perfekte Fluch für sie.
    Aber Galen beachtete sie nicht, stürmte durch die Kammer hinaus und stakste, darum bemüht, die Handtücher nicht zu verlieren, auf demselben Weg wie gestern Nacht zum Schuppen.
    Das große Tor stand offen. Der grüne Traktor, schmale Vorderreifen, enge Schnauze mit Lüftungslamellen. Ein Relikt der Vergangenheit. Aber er wollte sich nicht ablenken lassen. Trat in die dunkle Hälfte des Schuppens, wo seine Mutter tief zwischen den gestapelten Gestellen verborgen war.
    Einfach raustragen?, fragte er. Geruch von Staub und Moder, Geruch von Walnussschalen. Geruch seiner Kindheit. Wenn er die Augen schloss, war er wieder dort, und zweifellos ging es seiner Mutter genauso. Wir haben dieselbe Kindheit, sagte er. Wegen des Geruchs hier.
    Nicht dieselbe, sagte sie. Du hast ja keine Ahnung. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es war.
    Schön, sagte er. Deine Besonderheit ist unantastbar. Also, wohin willst du die Gestelle haben?
    Je mehr er sich an die Dunkelheit gewöhnte, desto deutlicher sah er sie, viereckige Holzrahmen mit Maschendraht. Wie Backsteine zu einer Mauer gestapelt.
    Ich sage dir nur, wie es ist, sagte sie. Es war eine andere Zeit. Ich bin nicht der Feind.
    Er knirschte mit den Zähnen und knurrte und schüttelte die Arme. So war ihm gerade zumute.
    Das könntest du dir mit niemandem sonst erlauben. Du behandelst mich schlechter als irgendeinen anderen Menschen. Ich bin mit meiner Geduld am Ende.
    Deiner Geduld?, fragte Galen. Er nahm ein Gestell und ging um den Traktor herum in die knallheiße Sonne. Pochender Puls. Auf dem Sammelplatz
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher