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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition)
Autoren: David Vann
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wollte sich nicht hinknien und das Ohr an ihren Mund legen. Also griff er wieder nach den Handgelenken und schleifte ihren schlaffen Körper zur Grube. Er zog so schnell er konnte. Sie war schwer.
    Er zog und blickte sich nach dem Boden um. Sie konnte er nicht ansehen. An den Gestellen vorbei.
    Seine Hände an ihren Handgelenken, und immer wieder meinte er einen Puls zu fühlen, versuchte, sich stattdessen auf den Boden zu konzentrieren. Ihr Gewicht, als wäre sein eigener Körper gewachsen, ein riesiger aufgeblähter Bauch, der über die Erde schleifte. Ein Wesen, dazu verdammt, ewig rückwärts zu laufen, Beine schwach und ackernd, das schmale Rückgrat bemüht, die Lungezu klein. Ein Ding, das nie ruhte. Halbtot durch diesen Dreck sich schleppend und noch weiter vielleicht, durch Furchen und Plantage, aufs trockene Gras, über schwarzes Vulkangestein. Diese Last immer weiter schleppend, während die Kruste aufbrach und sich füllte und wuchs. Genau wie in meinen Träumen, sagte er.
    Aber er zog weiter, und als er zur Grube kam, schleppte er sie an die Seite mit weniger Erde, und sie kippte vom Haufen loser, dunkler Erde und rollte und fiel hinein, er hatte das nicht gewollt, aber er musste loslassen. Verdammt, sagte er.
    Galen wusste nicht, wie er sie ins Grab hatte legen wollen, aber nicht so, nicht unkontrolliert, irgendwie zu einem Knäuel verschlungen, ihr Gesicht nach unten.
    Er musste sie ausstrecken und mit dem Gesicht nach oben hinlegen, aber er wollte nicht zu ihr ins Grab steigen.
    Ihm fiel nur die Schaufel ein. Er stand in der lockeren Erde am Rand, beugte sich vor und versuchte, mit der Schaufel an ihren Beinen zu ziehen, aber sie fand nirgendwo Halt. Die Schaufel glitt über ihre Waden.
    Er brauchte etwas, das greifen konnte. Etwas, das Walnüsse oder Obst aus dem Baum holte, einen Pflücker. Er trat in die noch helle Nachmittagssonne und beschirmte die Augen, suchte auf der Erde nach einem Gerät mit Haken. Er stellte sich einen Hebel oder eine Schnur oder so etwas vor, irgendwas zum Greifen.
    Aber so ein Gerät gab es nicht. Er blinzelte und zwinkerte und stolperte über die Erde und bekam nicht, was er brauchte. Dann entdeckte er eine Hacke mit festemBlatt und eine weitere Hacke mit vier Zinken und Lücken dazwischen. Wie eine Mistgabel, aber im rechten Winkel abgebogen. Damit konnte es gehen.
    Drinnen mussten sich die Augen erst wieder anpassen. Das Grab war dunkel, seine Mutter im Schatten verborgen. Er kniete sich in den Erdhaufen und versuchte, mit der Hacke oder Harke oder was immer das war – eine Harke vielleicht – eins ihrer Knie zu erwischen. Wenn er ein Knie erwischte, konnte er das Bein strecken.
    Er riskierte allerdings, das Gleichgewicht zu verlieren und reinzufallen, und das wäre ein Alptraum, also ging er in die Hocke und setzte sich rittlings übers Grab. Das war besser. Er saß an einem Ende, dem Ende ihrer Füße, und konnte mit der Harke hinunterlangen und nach ihren Beinen angeln.
    Galen erwischte ein Knie und streckte es vorsichtig, fragte sich erneut, was mit der Totenstarre war und warum sie nicht einsetzte, und dann erwischte er die andere Wade und zog, aber das Bein klemmte. Sie war zusammengeknäuelt, ihr Po in der Luft, die Arme unter dem Oberkörper, und das Ganze war ein einziges Durcheinander.
    Seine Füße steckten in den lockeren Erdhaufen, die Körner sammelten sich auf seinen Turnschuhen, und er fühlte sich bedrängt, als käme alles näher. Er stieg ins Grab, kniete sich zu ihren Füßen, und die ganze Welt brach über ihn herein, die Körner rieselten von den Rändern ins Grab, und er musste sich beeilen, um nicht mit ihr begraben zu werden.
    Er steckte die Hände unter ihren Körper, schob sichdurch die kühle Erde, beugte sich vor, umarmte sie und zog, um sie so sachte wie möglich umzudrehen.
    Beine und Hüfte waren nun nach oben gekehrt, und er rutschte höher, legte die Arme vollständig um sie, bis er sie auf den Rücken drehen konnte, und dabei hielt er sie fest. Er lag mit dem Gesicht an ihrer Brust. Hier würde er einen Augenblick ruhen. Mom, sagte er.
    Der Atem stockte und bebte, und das Schluchzen rüttelte an seiner Brust. Er hatte nie gewollt, dass seine Mutter starb. Er hatte doch nur sie.
    Mom, sagte er, und die Trauer war gewaltiger als erwartet. Er musste sich daran erinnern, dass sie nicht wirklich war, dass sie nur eine Illusion war, manifestiert, um ihn etwas zu lehren. Seine letzte Bindung. Es gab nichts mehr, das ihn in dieser Welt
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