Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition)
Autoren: David Vann
Vom Netzwerk:
Licht und Laut und Luft.

 
 

 

 
    G alen arbeitete in der Dunkelheit an der Furche, kein Mond. Tastete sich mit der Schaufel an den Wänden entlang. Die Luft schal, Zeit der Flaute. Alle Geräusche verstärkt.
    Er benutzte die Schaufel mit dem flachen Blatt, stieß die gerade Kante entlang der Bretter in die lockere, aufgehäufte Erde und zog. Die Erde schwer und unsichtbar und laut. Das Scharren des Blatts, wenn er die Ladung einen Meter zog und das Erdreich verteilte. Ein Beet für einen neuen Garten schuf, seine Schritte pflanzte.
    Manchmal war es, als wäre seine Mutter gar nicht da drin. Oder als könnte sie von selbst verschwinden. Es war, als gäbe es keine anderen Menschen auf der Welt. Und sobald er dieses Gefühl bekam, versuchte er, daran festzuhalten, weil er gern der letzte Mensch auf Erden war. Diese Vorstellung fand er ungeheuer tröstlich.
    Galen mochte körperliche Arbeit. Er schaufelte gern die Erde von der Wand weg, räumte und glättete, und als er fertig war, hätte er am liebsten noch mal angefangen, wünschte er sich, erneut aufgehäufte Erde vorzufinden. Schwierig war immer der Übergang, mit der nächsten Aufgabe weiterzumachen und hineinzufinden. Er mochte Wiederholung. Sie war die Grundlage von Religion. Die Wiederholung der immer selben Wörter oder der Kniefall oder das Sitzen und die Konzentration auf die Atmung. Uns schreckt das Nichts, nicht zu wissen, was als Nächstes geschieht oder was wir tun sollen oder wer wir sein sollen. Wiederholung ein Fixpunkt, eine Zuflucht.
    Galen wartete in der Dunkelheit darauf, dass dieser Mond aufging. Er stach die Schaufel ein, ging rückwärts, zog, verteilte den Boden, doch die ganze Zeit wartete er. Und als der Mond endlich aufging, war sein Gesicht unmöglich groß, entstellt durch zu große Nähe zur Erde. Eine Lektion, Verzerrung durch Nähe. Der Mond würde seine wahre Gestalt erst kennen, wenn er alleine da hing.
    Lichtgeschwollen jetzt, fett am Horizont, schwer. Der kleine Mann kniend im Gebet, derart vergrößert, dass Galen den Raum über dessen Kopf sehen und fühlen konnte, die schwebende Leere zwischen dem Mann und dem offenen Mund der Schlange. Galen ließ die Schaufel fallen, breitete die Arme aus und starrte den Mond an, würdigte still seine Fülle und wusste, dass sie mit jedem Moment schrumpfte, dass er zu seiner festeren Gestalt abkühlte, sich entfernte, knochenweiß wurde, die Farbe ausgewaschen. Bruder Mond, sagte er. Jeder von uns allein auf seinem Weg.
    Galen ließ die Arme sinken und blickte auf die verwandelte Plantage, wo die Bäume in den zweiten Tag tauchten, den Mondtag. Die Walnussbäume, an ihnen lag es. In den Jahren, die sie hier standen, hatten sie Einfluss auf die Gestalt der Dinge gewonnen. Das konnten sie nicht verhehlen.
    Galen nahm die Schaufel und kehrte zu seiner Arbeit zurück. Machte die Wand zur Plantage fertig, die Südwand. Der Schuppen perfekt platziert in alle vier Richtungen, das konnte kein Zufall sein, trotzdem konnte sich Galen keinen Reim darauf machen. Ihr Haus nach Norden, der Feigenbaum und die Teestunde am Nachmittag nach Norden und der Rasen und die große Eiche mit ihrem Zweisitzer darunter. All das Zivilisation. Das bedeutete vielleicht etwas. Die Straße nach Westen. Die Plantage zum Süden hin und weiter gen Osten, und Galen wurde erst jetzt bewusst, dass er nie ganz an den östlichen Rand gelaufen war, zur Quelle. Darin konnte eine Bedeutung liegen, aber vielleicht auch nicht. Denksysteme, die Fesseln des Verstandes. So schnell verlor man die Orientierung. Er musste sich aufs Schaufeln konzentrieren.
    Zünftiges Schürfen von Erde. Darauf konnte er sich verlassen. Im Mondlicht konnte er sehen, wie die Erde zu beiden Seiten der Schaufel wegrieselte. Er konnte die Kanten formen. Muster, die vielleicht gedeutet wurden.
    Die Arbeit war etwas Gutes, eine Ablenkung. Er machte diese Wand fertig und ging zur Ostwand über, wo die Furche nicht fertig gezogen war, wo er auf unbestellten Boden getroffen war und aufgehört hatte.
    Sie hatte gar nicht versucht, sich rauszugraben. Zwecklose Furche und zwecklos, sie jetzt zu beseitigen. Wen kümmerte es, wenn an einem Teil des Schuppens ein bisschen Erde aufgeschüttet war? Im Grunde aber versuchte er nur, Zeit verstreichen zu lassen. Also kerbte er die Schaufel entlang der Wand ein, rutschte mit der heilen Hand den Stiel hinunter, ging langsam rückwärts und zog, verteilte die Erde. Betrachtete die Ränder wie einKielwasser, strich sie an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher