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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition)
Autoren: David Vann
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beiden Seiten behutsam mit der Schaufel glatt. Er wollte sie nicht sehen, wollte sie nicht finden. Er wollte es so lange wie möglich aufschieben.
    Aber die Furche endete. Bald war keine Furche mehr da zum Einebnen, und es war noch immer Nacht, der Mond jetzt höher, klein und fern und am Entgleiten. Tja, sagte Galen. Es gab keine Arbeit mehr am Schuppen, nur das Schloss musste er noch entfernen, und das kam später dran. Also ging er zum Haufen auf dem Rasen.
    Er hatte vorgehabt, ihn anzuzünden, aber das würde zu sehr auffallen. Er würde die Schubladen rausbringen, eine nach der anderen, mit Krempel füllen und wieder an ihren Platz schieben. Keiner würde je den Unterschied bemerken.
    Und so begann er damit. Arbeit. Eine Schublade nehmen, rausgehen, auf dem Rasen knien, Klammern einsammeln und Gummibänder und alte Knäufe und Knöpfe, die Familie, Bruchstücke der Familie und der Zeit, und alles in die Schublade kippen. Neu geordnet jetzt, durcheinander und verschoben, kehrten die Stücke an andere Stellen zurück, eine Störung des Musters, aber hatte es je ein Muster gegeben? Störung oder Schicksal. Das war nie klar. Wir haben getan, was wir getan haben, und gegrübelt, und das war's. Blinde Bewegungen im leeren Raum.
    Die zerknüllten Fotos passten nicht in die Schubladen. Und in die Alben zurück gingen sie natürlich auch nicht. Er wusste nicht recht, was er machen sollte. Er kniete im Gras und betrachtete sie im Mondlicht. Sie gehörten jetzt ihm, nicht mehr ihr, also musste er sie erhalten. Er versuchte, sie zu glätten, aber wenn Fotopapier einmal geknickt war, war es geknickt, die Faltstellen weiß. Schatzi dunkler, eine Art Geschoss unter den Fotos, ein Eindringling, verschwunden lange vor Galens Geburt.
    Er sammelte die Fotos ein, schwarzweiße Blüten, und nahm sie in die Arme, ging nach oben in sein Zimmer und ließ sie in seinen Schrank fallen. Dann machte er die Tür zu, und weg waren sie. So einfach.
    Blieb ihr Zimmer übrig. Kleidung über den ganzen Boden verstreut. Lose Bügel, und er hängte ihre Kleider, Mäntel, Hemden wieder auf. Ordnete sie sorgsam von lang nach kurz. Befühlte die Stoffe, glatt und kühl. Farbenfroh. Türkis und rosa. Dieses Zimmer würde eine Art Museum werden, und er würde hineingehen, um sich an sie zu erinnern, also war es wichtig, jetzt alles sorgfältig aufzuräumen.
    Ein Leben passt in so engen Raum. Sechsundvierzig Jahre in einem Zimmer. Heiliges Zimmer. Als der Boden aufgeräumt war und alles aufgehängt, raffte Galen Decke und Laken zusammen, ging hinaus auf den Rasen und schüttelte sie im Mondlicht aus, um den Dreck loszuwerden. Er kam sich vor wie ein Verbrecher. Während alles schlief, schüttelte er hier draußen Laken aus, beseitigte Hinweise. Doch ihm blieb nichts anderes übrig. Jeder Weg führte irgendwohin, und niemand konnte innehalten auf seinem Weg. Wir sind immer in Bewegung.
    Galen trug Laken und Decke in die Speisekammer, zur Waschmaschine. Sah das Wasser einlaufen, füllte Waschmittel ein und machte die Klappe zu.
    Obwohl mitten in der Nacht, beschloss Galen, sicheine Limonade zuzubereiten, mit richtigen Zitronen, wie seine Mutter es immer gemacht hatte. Er ging hinaus zu dem kleinen Zitronenbaum an der Hecke. Der riesige Feigenbaum ließ alles um sich her schrumpfen, warf im schwindenden Mondlicht Schatten an die Schuppenwand, große Blätter wie Prankenabdrücke, ein mythisches Ungeheuer, das lautlos vorüberzog.
    Galen fühlte sich gejagt, entblößt, ungeschützt. Er pflückte einen Arm voll Zitronen und eilte zurück ins Haus, konzentrierte sich auf seine Aufgabe und versuchte, an nichts sonst zu denken. Schnitt die Zitronen auf und presste sie aus, goss den Saft aus, wenn die Presse voll war. Fügte Wasser hinzu und Zucker und rührte mit einem langen Glasrührstab um.
    Er schenkte sich ein Glas ein und setzte sich an den Tisch. Sichtbar für alles, was von draußen hineinsah, und er würde nichts kommen hören wegen der Waschmaschine. Er versuchte, die Limonade zu genießen, löschte jedoch bald das Licht. Er konnte nicht zum Tisch zurück. Mit dem Glas in der Hand trat er in eine dunkle Ecke, von der man nach draußen blicken konnte. Von hinten konnte nichts kommen.
    Obszön lautes Tuckern der Waschmaschine. Saugen und Schwappen. Galen stand in der Dunkelheit und wachte und wartete.
    Das Haus unmöglich groß. Kein Versteck darin. Zu viele Fenster und Türen. Hunderte Dinge konnten hier drin lauern, von denen er nichts wusste. Zu
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