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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition)
Autoren: David Vann
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Blockade.
    Galen schwand der Kampfgeist. Er ließ die Baumsäge fallen und holte sich einen normalen Fuchsschwanz mit breitem Blatt und kleinen Zähnen, die Säge, die er gleich hätte nehmen sollen. Und diese funktionierte viel besser. Schieben und ziehen, zunächst sachte, dann mit Druck, Sägemehl so fein, dass er es einatmete.
    Im Nu war der Balken durch und drückte aufs Sägeblatt, die ganze Schwerkraft des Schuppens, und er musste die Säge herauszerren.
    Zur nächsten Ritze, der anderen Seite seiner beiden hängenden Bretter, und er sägte schnell, riss am Holz, war auf einmal durch, und die beiden Bretter fielen in den Schuppen und klapperten gegen den Traktor.
    Jetzt begriff er, was er getan hatte. Die Wand war weg. Der Schuppen kein Käfig mehr.
    Mom?
    Dunkler im Schuppen, das meiste im Schatten, seine Augen in Panik, überall hinblickend, aber nichts bewegte sich. Er wollte, dass sich etwas bewegte. Er wollte, dass seine Mutter lebte.
    Der grüne Traktor, die Stapel der Trockengestelle, der Lehmboden. Doch keine Bewegung und kein Geräusch außer dem Puls in seinen Ohren. Mom?
    Galen war, als stünde er am Rand der Welt, als würde er beim nächsten Schritt hinunterfallen. Er wankte, schwindlig vor Höhenangst, und wollte einen Schritt zurücktreten, weg vom Rand, sich hinkauern, nah am Boden.
    Aber er trat vor, in den Schuppen, und der Boden tat sich nicht auf. Er trug ihn, und Galen war jetzt hier drin bei seiner Mutter, und er wusste nicht, wo sie war. Mom?
    Er hatte Angst, sich umzusehen. Sein Blick wanderte über den Boden, die Wand entlang, auf der Suche nach ihr, dann an die Decke, alles zu schnell, um etwas mitzukriegen. Er wollte es nicht sehen.
    Der Schuppen größer als in seiner Erinnerung, und sie schien zu wachsen, die Wände zu weichen.
    Er ging vorn um den Traktor herum, die linke Hand als Halt auf der Kühlerschnauze. Jeden Moment konnte er in ein Vakuum gesogen werden.
    Furcht. Eine physische Präsenz. Er wollte den Moment nicht, in dem er sie fand. Sah hinunter, sah weg, überall Schatten, jeder einen Augenblick lang seine Mutter und dann nichts.
    Er blieb beim Traktor, wollte nicht weiter in den Schuppen hinein. Die kaputten Gestelle hinter dem Traktor, in Wartestellung seit Jahrzehnten, am selben Platz. Er hob eins hoch, staubiges Holz und ein altes Metallnetz, in der Mitte zerrissen, und nahm es mit zu der leeren Stelle vor dem Traktor. Dann hob er noch eins hoch und nahm es an dieselbe Stelle mit, errichtete einen neuen Stapel.
    Der Weg von altem Stapel zu neuem Stapel, zusammengehalten vom Traktor. Galen konzentrierte sich auf die Gestelle, das Holz, das gar nicht kühl war wie erwartet, sondern warm. Der Schuppen überhaupt keine richtige Zuflucht. Die Luft so heiß wie draußen. Wie konnte das sein. Ein schattiger Ort, aber vielleicht heizten Dach und Wände auf und wurden zum Ofen, erhitzten die stehende Luft.
    Geruch von Walnuss, alten Schalen. Säuerlich und scharf, ein grüner und schwarzer Geruch, und der Geruch von Staub. Das Geräusch von Hitze, ein Dach, das sich ausdehnte.
    Galen trug Gestelle, Dutzende, bis hinter dem Traktor nur noch blanke Erde war, alte Erde, bedeckt seit derKindheit seiner Mutter. Ältere Erde roch eher nach Stein. Hier würde er graben.
    Er ging durch den Geräteschuppen nach draußen, um die Schaufel zu holen, trat blinzelnd ins grelle Licht. Fand eine Schaufel mit einem scharfen Blatt und ging wieder rein.
    Galen setzte die Schaufel an und drückte kräftig mit dem Fuß nach, und die Schaufel ging ein Stück hinein, doch beim Rausziehen lagen nur ein paar Krümel auf dem Blatt. Das konnte dauern.
    Er holte den Pickel, zog ihn aus seinem Brett, das gegen den Traktor lehnte. Er schwang ihn mit der größeren Spitze zum Boden, und der Aufprall war zu hart, zu viel Widerstand, also probierte er die andere Seite, eine lange, gebogene Spitze, die das Brett durchbohrt hatte, und diese grub sich tief und mühelos ein, ohne seine Hände zu erschüttern. Er stemmte sich gegen den Griff und trat vor, um die Spitze durch den Boden zu ziehen, die Erde zu lockern.
    Erde ist unausweichlich. Stets eine Rückkehr zu Erde. Galen stach immer wieder zu, brach die Oberfläche in ein knapp zwei Meter langes, fünfzig Zentimeter breites Oval auf. Tief brauchte es nicht zu sein. Er würde die Holzgestelle darauf stapeln.
    Aufgebrochener Boden, altes Handwerk, schwingendes Metall. Wer er war, spielte keine Rolle mehr. Eine Frage aus früherer Zeit. Totengräber.
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