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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition)
Autoren: David Vann
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Muttertotengräber.
    Mit jedem Pickelschlag wurde der eingeschlossene Geruch des Bodens frei, Geruch vergangener Jahrzehnte, des früheren Schuppens und seiner Mutter, die hier alsMädchen gespielt hatte. Geruch der Arbeit seines Großvaters und all derer, die ihm vorangegangen waren.
    Galen formte ein Oval, das so schön war wie ein Buntglasfenster. Ein Oval aus Brüchen. Dann ließ er den Pickel fallen und hob die Schaufel. Vorsichtig tauchte er das Blatt ein, hob die losen Ballen und Körner und häufte sie ordentlich neben dem Grab auf.
    Schaufel um Schaufel. Das Geräusch. Dazwischen tropfender Schweiß. Jede Arbeit dauert länger, als wir annehmen. Ein kleines Oval, kleines Fenster, und doch war es mehr, als es schien, und der Haufen bereits größer als erwartet, selbst für diese erste flache Stufe, diesen bloßen Beginn.

 
 

 

 
    D as Graben eine Ewigkeit für sich, ein Ort, an dem die Zeit zerfiel. Die Erde wusste, wofür sie wich.
    Mit der Schaufel scharren, die letzten losen Reste zusammenfegen, dann wieder den Pickel schwingen, das Schlagen des Metalls gegen Steine, der Boden durchsetzt davon. Boden, der nicht zum Pflanzen gedacht war.
    Das gähnende Loch unter ihm. Das tiefste Loch, das Grab seiner eigenen Mutter zu schaufeln. Deshalb huschte die Welt nach allen Seiten davon. Ohne Mutter hielt die Welt nicht mehr zusammen.
    Seine Gedanken in Panik, kein Fixpunkt irgendwo. Huschend wie die Erde und die Luft. Das Bedürfnis, sich umzublicken, sie zu finden, festzustellen, ob sie noch lebte, doch außerstande, von hier aus fortzufahren, das Ringen um festen Boden.
    Der Pickel groß, der Stiel wie ein Knochen, vergrößert, innen hohl, unhandlich. Dunklerer Boden jetzt, älter, jenseits der Zeit seiner Familie. Er trat in eine frühere Zeit ein.
    Das war vielleicht die Bedeutung von Erde. Die Schaufel, die Zeit wegschaffte. Die Äonen, die es brauchte, aus Stein Erde zu formen. Das Wasser und die Luft, die sich durch Millionen oder gar Milliarden von Jahren arbeiten mussten, um die Erde zu lösen, dann ihre Bewegung, ihre Ablagerung, Schicht um Schicht, die Zeit. Sein Leben jetzt nur noch ein kurzes Aufblitzen. Jede Bindung absurd. Das lehrte sie, die Erde. Wenn er sich weiter auf die geologische Zeit konzentrieren konnte, würde die menschliche Zeit ihn nie erreichen.
    Die Schaufel bereit, immer bereit. Und die Erde auch. So lange Wartezeit und kein Widerstand gegen die Bewegung. Die Ordnung auf den Kopf gestellt, das Gefüge der Körner, aber kein Widerstand, also kein Leiden.
    Der Haufen an einer Seite des Grabs, direkt an seinem Rand. Die Erde dehnte sich aus, wenn sie herausgenommen wurde. Eine dunkle Bergkette entstand. Noch eine Schicht weggescharrt, und er fragte sich, ob sie das hörte. Nicht zu wissen, ob sie das hören konnte, gefiel ihm nicht. Er blickte sich immer wieder um in Erwartung, sie dort stehen zu sehen, auf sich zukommen zu sehen.
    Er arbeitete so schnell er konnte. Er wollte nicht bis in die Nacht weitermachen.
    Der Boden wurde noch härter, steiniger und kompakter. Ein großer Stein, der seine Hände zittern ließ, als der Pickel auftraf, und er musste drumherum schaufeln, eine Handbreit auf jeder Seite wegräumen, graue Haut mit weißer Narbe vom Pickel, dann stieg er auf Händen und Knien ins Grab und rüttelte am Stein, seine Finger krallten durch die Handschuhe hindurch, suchten einen festen Halt, fanden ihn, und er hob den Stein in seinen Schoß. Schwerer Stein, damit konnte er ihr Grab markieren. Er würde ihn an einem Ende aufstellen, mit der Markierung vom Pickel, seiner Markierung, und keiner sonst würde davon wissen. Ein geeigneter Grabstein.
    Galen rutschte mit dem Stein im Schoß zum Kopfende des Grabs und rollte ihn hoch. Glatter Stein, glatte Haut, alter Flussstein, der irgendwie hier gelandet war, so weit weg vom Wasser.
    Galen stand im Grab, knietief inzwischen. Von hier aus schwang er den Pickel. Es muss nicht tief sein, sagte er sich, aber dann stellte er sich vor, wie er hinunterlangen und sie aus dem Grab ziehen müsste, in seine Arme, wenn es nicht tief genug war.
    Also schwang er weiter den Pickel, hackte sich tief in die nächste Schicht, und der Tag war ein Inferno, aber der Boden kühler dort unten, mit eigenem Atem. Schichten zu durchbrechen war wie das Durchbrechen der Illusion des Selbst, die Feststellung, dass da kein Kern war, nur die Schichten.
    Steiniger, zitternder, rutschender Pickel. Funken. Ein Minenarbeiter.
    Er ging ans andere Ende,
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