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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition)
Autoren: David Vann
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Wimperntusche, Kinderschminke. Blaue Augen, hell wie Murmeln. Aber was ihm immer am meisten auffiel, war der Flaum, richtiger Flaum auf Hals und Wangen. Er sah die winzigen blonden Härchen, so weich. Etwas, das er an seiner Wange spüren wollte.
    Was treibt ihr beiden da?, fragte Galens Mutter.
    Bloß wer am längsten gucken kann, sagte Galen. Wer zuerst blinzelt, muss hier sitzen bleiben und mit euch beiden reden.
    Hört auf damit, sagte Galens Mutter. Jennifer, du siehst aus wie eine kleine Schlampe. Ihr solltet alle aufhören damit. Wieso könnt ihr nicht einfach normal sein? Wieso können wir nicht einfach eine Familie sein?
    Galen seufzte. Na gut, sagte er. Reicht ihr mir bitte die Würstchen?
    Danke, sagte seine Mutter. Und sie reichte ihm denTeller. Ein Dutzend Würstchen im Schlafrock. Galen schob sie alle auf seinen Teller und stopfte sie sich dann mit beiden Fäusten in den Mund, heißes, teigiges Innereienfleisch, das nach Metzgereiboden, Zungen und Hufen schmeckte. Seine Cousine lachte, und seine Mutter war wieder weg, und er stopfte und kaute und schluckte diese kleinen Widerlichkeiten, bis nur noch Fitzel auf dem Teller lagen, die Trümmer des Gelages, und dann beugte er sich zum Teller, um ihn abzulecken, stand auf mit wogendem Magen und schleppte sich die Treppe hinauf, ins Bad, und kotzte ins Klo. Als er fertig war, verschränkte er die Arme auf der Klobrille, mit saurem Geschmack im Mund, und legte ein Nickerchen ein. Schloss die Augen und schlief auf dem Klo mit dem Dreckwasser unter sich und erwog, den Kopf zum Trinken reinzustecken, und hätte es getan, hätte seine Mutter zugesehen.

 
 

 

 
    A ls Galen aufwachte, war es dunkel. Das Haus still. Die Zeit des Friedens. Wie er sich die Welt wünschte. Ohne Menschen.
    Er musste seinen Arm schütteln, um ihn aufzuwecken. Er spülte die Toilette und putzte sich die Zähne. Dann ging er barfuß die Treppe hinunter, so leise wie möglich, ohne Gewicht. Sein Körper erhob sich in die Luft, schwerelos. Diese Welt ein Traum, das Haus aus Erinnerungen gemacht. Seine Mutter als Kind, das über dieselben Stufen geht.
    Hinaus durch die Kammer, dann weiter unter den riesigen Blättern des Feigenbaums, er roch die Früchte, ließ Jeans und Unterwäsche und Hemd zu Boden gleiten, stand nackt. Beinahe Vollmond, und als er um den Schuppen herum in die Walnussplantage ging, sah er die Knochenschar. Lange Reihen weißer Stämme und Äste, die sich in diesem Licht allesamt in Knochen verwandelt hatten. Jeder Ast hohl und zu groß, leuchtend. Die Blätter als Schatten zu substanzlos, um zu verhüllen.
    Galen rannte, wie er es in den Büchern von Carlos Castaneda gelesen hatte, ließ die nackten Füße ihren Weg durch die Nacht finden, ihren eigenen Pfad, schloss die Augen und streckte die Arme zur Seite, Handflächen nach oben. Die Erdklumpen bröckelig unter seinen Füßen, die Steine hart, kleine Zweige und Blätter. Das tatweh und hielt ihn auf, aber er wollte abheben, frei sein. Er wollte ohne Geräusch oder Gefühl über dem Boden schweben, die Füße von einer magnetischen Kraft eben über dem Grund gehalten. Stattdessen sanken sie tief in die Furchen, stockten und strauchelten, und nie wusste er, was als Nächstes kam. Er machte die Augen auf und ging weiter, ließ die Arme sinken.
    Der Mond der hellste Knochen. Dunkle Flecken, die ein offenes Schlangenmaul bildeten, darunter ein kleiner Mann, der meditierte. Immer derselbe Mond. Nie drehte er sich, nie änderte er sich. Immer Schlangenmaul und kleiner Mann, eingeätzt in eine Knochenscheibe.
    Die Bäume standen stramm vor dem Mond, aufgereiht, hochgereckt. Selbst die Furchen wurden von ihm angezogen. Die ganze Erde wollte sich ausbreiten, die Lücke schließen. Die Luft so dünn, was hielt Erde und Mond auseinander?
    Galen saß im Schneidersitz da, im Kreuz eine Furche, und starrte in den Mond. Die Handflächen offen auf den Knien. Langes Ausatmen, tiefes Einatmen. Ausatmen. Kein Gedanke, nur diese leuchtende Scheibe, dieser Spiegel.
    Aber dann dachte er an seine Cousine, an die Innenseite ihrer Schenkel, ihre Lippen, an ihren Fuß in seinem Schritt. Samsara, ein ewiger Eindringling. Aber vielleicht war es zu etwas nütze. Vielleicht konnte es Kraft spenden.
    Galen stand auf und legte die Hand auf seinen Steifen. Streichelte ihn ein wenig und versuchte dann, so die Furche entlangzulaufen, mit der rechten Hand streichelnd,die linke nach außen gekehrt, Handfläche nach oben, eine Meditationspose mit
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