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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles
Autoren: Robert Sheckley
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mich fragen«, sagte Chemise, »aber ich möchte hierbleiben.«
    Otho sah sie amüsiert an. Er lachte und sagte: »In Ordnung. Der Käse steht allein, heißt es in einem alten Kinderreim von der Erde. Viel Glück euch beiden.« Er umarmte seinen Sohn und sagte: »Nun werde ich abreisen.«
    »Aber wie?« fragte Dramokles. »Ich dachte, du brauchst eine große Explosion, um zwischen den Wirklichkeiten zu reisen?«
    »Die Explosion war nötig, um das Wurmloch zwischen der Wirklichkeit von Glorm und der der Erde auf Dauer zu öffnen.
    Aber um mich selbst zu befördern, brauche ich nur das hier zu tun.«
    Otho holte einen kleinen Gegenstand aus dem Ärmel seines Mantels. Er hielt ihn zwischen Daumen und Zeigefinger, und Dramokles sah, daß es ein Kristall war. Otho strich mit seiner freien Hand darüber und erhielt aus dem ersten Kristall einen zweiten gleicher Größe, dann noch einen und noch einen. Als er ein Dutzend zusammen hatte, legte er mit ihnen auf dem Boden einen Kreis. Als er den letzten Kristall an seinen Platz gelegt hatte, begann zwischen den Kristallen ein strahlend weißes Licht zu leuchten. Dramokles und Chemise wichen hastig einige Schritte zurück. Otho stellte sich in das Licht.
    »Leb wohl, mein Sohn; leb wohl, Chemise.«
    Das Licht wurde heller und verblaßte dann. Otho und die Kristalle waren verschwunden.
    »Immer ist bei ihm Magie im Spiel«, sagte Dramokles. »Viel Glück, Vater, ich wünsche dir, daß du auf der Erde Frieden und Glück findest.«
    Schweigend standen er und Chemise eine Weile nebeneinander und schauten über die Dächer von Ultragnolle hinweg. Dann fragte Dramokles: »Warum bist du nicht mit Otho auf die Erde zurückgekehrt?«
    »Es gefällt mir hier«, sagte Chemise. »Auf Glorm bin ich etwas Besonderes, fast eine Art Prinzessin. Auf der Erde wäre ich nur ein gewöhnliches, paranoides jüdisches Mädchen. Und es gibt noch einen anderen Grund.«
    Ihre Worte stockten. Sie stand sehr dicht bei Dramokles, und er merkte, wie ihr Unterarm den seinen berührte. Nun fiel ihm die Schönheit ihres Gesichts auf, ihre tiefblauen Augen mit den langen dunklen Wimpern. Ihr Körper, schlank, und doch fraulich gerundet, duftete nach einem köstlichen Parfüm. Als sie zu ihm aufblickte, spürte Dramokles ein merkwürdiges Ziehen in der Magengegend. Das war das erste Anzeichen für Liebe. Liebe war das wunderbarste aller Dinge, beim zehnten oder hundersten Mal noch genauso aufregend und neu wie beim ersten. Liebe war eine Delikatesse, die einem niemals den Appetit verdarb, dachte Dramokles und nahm das schöne Erdenmädchen in seine Arme.
    Sein Glück wurde nur gestört durch den Gedanken an den Kummer Lyraes, wenn der Kammerherr ihr mitteilte, daß sie durch eine andere ersetzt worden war. Das würde ein wenig schwierig werden, aber er fühlte, daß er es ertragen konnte. Er hatte Lyrae in letzter Zeit sowieso kaum noch gesehen.
    »O Dram«, sagte Chemise, an seine Brust geschmiegt, »seit ich dich das erste Mal sah, hatte ich gehofft – aber ich hätte nie zu träumen gewagt – oh, ich bin so verwirrt.«
    »Na, mein süßer kleiner Orlichthoon«, sagte er mit sanfter Stimme. »Alles wird gut werden. Laß uns gehen und schauen, ob John inzwischen eine Entscheidung getroffen hat.«
    Hand in Hand kehrten sie ins Kriegszimmer zurück.
    Ein Orlichthoon ist ein grün, kupfern und scharlachrot gefiederter Vogel. Er ist auf Glorm heimisch und gilt als Synonym für Liebe und Verlobung.

46
    Als sie das Kriegszimmer betraten, klingelte gerade das Bildschirmtelefon. Dramokles meldete sich und erblickte Anne auf dem Schirm. Sie hatte ihre Uniform abgelegt und trug jetzt eine durchsichtige Bluse und einen engen Rock. Ihr Haar fiel lose herab und war mit juwelenbesetzten Glühwürmchen bestückt.
    Sie sah wie eine siegreiche Königin aus.
    »Dramokles«, sagte sie, »ich will dich nicht auf die Folter spannen. Wir haben beschlossen, dich in deinem Amt als König von Glorm zu bestätigen, da dein Sohn, Prinz Chuch, nicht an dieser Position interessiert ist.«
    »Nicht? Wieso das?«
    »Als er uns besuchte, schenkte John ihm eine kleine Sklavin zum Foltern. Chuch machte den Fehler, statt dessen mit ihr zu reden. Nun ist er mit ihr davongerannt. Mir wurde soeben mitgeteilt, daß er sich in einem anderen Sonnensystem einer Kommune anschließen und vegetarisch leben will.«
    »Das ist verrückt«, sagte Dramokles.
    »Oh, zweifellos wird er zurückkommen, wenn der Reiz des Neuen erst einmal abgeklungen ist. Der
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